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Wie fühlt sich ein Seelsorger?

Seit Beginn des neuen Jahres sind im Lausitzer Seenland Klinikum drei Seelsorger tätig.

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Einer von den drei Seelsorgern ist Torsten Vogel.
Einer von den drei Seelsorgern ist Torsten Vogel. © Foto: Silke Richter

Von Silke Richter

Hoyerswerda. Pfarrer Ansgar Florian von der römisch-katholischen Kirche gehört dazu, wie der evangelische Vertreter Thomas Schröcke. TAGEBLATT sprach mit dem Hoyerswerdaer Torsten Vogel über die Erfahrungen der ersten Wochen.

Herr Vogel, wie fühlt sich Seelsorge aus Ihrer Sicht an?

Im Grunde liegt die Antwort schon in der Frage. Die „Sorge um die Seele“ könnte man es nennen. Am besten lässt es sich als ein Stück gemeinsamer Lebensweg beschreiben. Manchmal sind solche Begegnungen recht kurz oder man geht ein Stück des Weges gemeinsam. Auf so einem Weg kann es Freude, Wut und Trauer geben. In jedem Fall gehört es zu unserer Zeit hier auf dieser Erde. Traurige Stunden will man am liebsten überspringen, glückliche Zeiten sollen nie vergehen. Die Sanduhr erinnert daran, dass alle Zeit gleichmäßig verrinnt. Wenn wir das annehmen können, ist das ein großer Schritt. Zu diesen Gedanken kommt man meist erst, wenn man dazu gezwungen wird. Während dieses Weges, der vornehmlich mit Patienten, aber auch mit Angehörigen und dem Klinikpersonal gegangen wird, darf bei aller Schwere eine gewisse Leichtigkeit nicht vergessen werden.

Die ersten Wochen in dieser Position sind vergangen. Was ist Ihnen besonders im Gedächtnis haften geblieben?

Da fallen mir spontan zwei Worte ein: „Plötzlich“ und „unerwartet“. So ereilen uns Menschen, Unfälle und Krankheiten. Vielleicht liegt die Dramatik darin, dass wir so etwas nicht wahrhaben wollen. Verdrängen wir, uns damit auseinanderzusetzen? Aber zu unserem Leben gehört Freude und Leid, Geburt und Tod. So ist „Plötzlich“ und „unerwartet“ schon mancher Name von meiner Besuchsliste verschwunden. Den meisten Menschen ist dann Heilung widerfahren, sie sind wieder im Kreis der Lieben daheim – schneller als von mir gedacht.

Ist Ihr Feierabend manchmal auch von Gefühlschaos geprägt?

Es gab Tage, da war die Grenze erreicht. Wenn ein Mensch von dieser Erde geht, lässt mich das nicht unberührt. Gerade wenn es nicht weit weg, sondern ganz nah geschieht. So einen konkreten Abschied zu begleiten, geht richtig an die Substanz. Besonders bei jüngeren Menschen werden Fragen aufgeworfen, auf die es keine Antworten gibt. Dann gilt für den Seelsorger, stehenbleiben, eine Stütze sein, etwas Passendes sagen oder einfach nur schweigen. Die Bitte einer Mutter um den Segen für ihr neugeborenes Kind, bringt mein Herz dann wieder zum Lachen.

Wie gehen Sie mit Gefühlschaos um? Wie geht das überhaupt auf Dauer?

Zu der Dauer kann ich wenig sagen. Allerdings gibt es Regularien, wie etwa den Austausch mit Kollegen, welche hier greifen. Persönlich hilft mir besonders meine Familie und mein christlicher Glaube. Aus beiden ziehe ich nicht nur Kraft für meine Arbeit. So sehr ich das Leben auf dieser Erde auch liebe, so sehr glaube ich, dass es noch etwas gibt, was mein Begreifen übersteigt. Unser Leben ist uns anvertraut und wir sollen das Beste daraus machen. Was aber das Beste ist, erfahren wir kaum durch Werbung oder aus den Medien. Wie unser Wertesystem durcheinandergewirbelt wird, erlebt man in Krisensituationen. Ich möchte Menschen helfen, solche Krisen zu überstehen. Nach den ersten Wochen am Klinikum kann ich sagen, dass die Klinikseelsorge hier als wertvoller Baustein der Heilung angesehen ist und wir in unserer Arbeit wertgeschätzt und gut unterstützt werden.