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„Ich habe ein gutes Gefühl“

Investorin Regine Töberich hat ihre Forderung an Dresden auf 18 Millionen Euro erhöht. Die Richter haben Fragen.

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© René Meinig

Von Sandro Rahrisch

Ein Hauch von Selbstzweifel? Keineswegs. Regine Töberich schreitet selbstsicher über den Flur des Oberlandesgerichts. Schwarze Bluse, dunkelblaue Jeans, Schuhe mit mittelhohem Absatz. Ein gutes Gefühl habe sie, sagt die Architektin den Reportern vorm Saal im zweiten Stock. Sie hoffe das Beste. Dann nimmt sie mit ihren drei Anwälten an der Klägerbank Platz. Sollte sie ihr Gefühl nicht täuschen, verlässt die Investorin das Ständehaus an diesem Montagnachmittag mit der Gewissheit, 18 Millionen Euro von der Landeshauptstadt Dresden zu bekommen – Schadenersatz für das Wohngebiet „Marina Garden“, das sie zwar entwerfen, aber nie bauen durfte.

Tatsächlich steht nach reichlich zwei Stunden nur fest, dass nichts feststeht. Der Senat muss die Frage klären: Würde Regine Töberich heute eine Baugenehmigung in der Hand halten, wenn die Stadtverwaltung alle ihre Pflichten erfüllt hätte? Die 53-Jährige wirft dem Bauaufsichtsamt vor, einen vorläufigen Bescheid so lange hinausgezögert zu haben, bis der Stadtrat neue Pläne für ihre Immobile zwischen Leipziger Straße und Elbe machen konnte. Ganz falsch dürfte sie damit nicht liegen. Denn auch die Dresdner Richter gehen davon aus, dass die Verwaltung zu lange brauchte und damit ihre Amtspflicht verletzt habe – aus Vorsatz oder nicht. Allerdings, so sagen sie, hätte Töberich deshalb noch lange keinen Anspruch auf Schadenersatz. Denn selbst mit Vorbescheid hätte ihr die Baugenehmigung gefehlt.

Töberich ist sich sicher, dass sie diese bekommen hätte, wäre alles wie am Schnürchen gelaufen. Die Richter zeigen sich da zurückhaltender. Sie spielen das „Was wäre, wenn“-Spiel. Also hätte es die Stadtverwaltung zeitlich geschafft, den Bauantrag zu bearbeiten, bis der Stadtrat im Mai 2015 neue Pläne für ihr Grundstück schmiedete und ihr verbot, auch nur einen Finger auf dem Areal zu krümmen? Es geht um einen Zeitraum von ziemlich genau fünf Monaten. „Wir haben hier kein einfaches Einfamilienhaus“, sagt der Vorsitzende Richter Hanspeter Riechert. Es gehe um sieben Häuser und eine Tiefgarage im Überschwemmungsgebiet. Etwa 180 Wohnungen sollten zuletzt entstehen. Kosten: rund 50 Millionen Euro. Städtebaulich und rechtlich sei das nicht einfach zu beurteilen. „Wenn man das alles nimmt, gibt es gute Gründe für eine lange Bearbeitungsdauer.“ Der Senat legt sich nicht fest, ob es dem Rathaus möglich gewesen wäre. Knapp wäre es auf jeden Fall, deutet er an.

Es ist nicht die einzige Frage, die unbeantwortet bleibt. Abgesehen vom zeitlichen Ablauf stellen sich die Richter auch die Frage, ob Töberich für „Marina Garden“ überhaupt eine Baugenehmigung erhalten hätte. Sie ziehen in Zweifel, dass an dieser Stelle Wohnungen hätten gebaut werden dürfen. Denn außer in der Villa Grumbt und der Hafenmeisterei würde keine Menschenseele unterhalb der Leipziger Straße zwischen Alexander-Puschkin-Platz und Arzneimittelwerk leben. Und selbst diese beiden Häuser könnten als Betriebswohnungen eingestuft werden, so das Gericht.

Töberichs Einwände, die Stadt plane dort nun selbst ein Wohngebiet, könnte man nachvollziehen, so Riechert. Allerdings wird gerade ein Bebauungsplan aufgestellt, damit das „Elbviertel“, wie Dresden es jetzt nennt, gebaut werden kann. Einen Investor gibt es bislang nicht. Auch das Grundstück gehört noch Töberich. Im Verfahren zwischen ihr und der Landeshauptstadt müsste man dagegen von der rechtlichen Lage ausgehen, wie sie vor drei Jahren vorherrschte.

Beiden Parteien wird nun eingeräumt, bis Ende März noch einmal Stellung zu nehmen. Für den 27. April ist eine Entscheidung angekündigt, möglicherweise eine abschließende. Töberich zeigt sich am Montag trotz der vielen Fragen der Richter siegessicher. Sie habe immer noch ein gutes Gefühl. „Man kann zählen, wie man will“, sagt sie. Die Stadt hätte es zeitlich schaffen können, die Baugenehmigung vor der Sperre zu erteilen.

Ihr Grundstück bietet sie Dresden übrigens auch an. Insgesamt müsste die Stadt dann gut 24 Millionen Euro hinlegen. Baupläne habe sie für Dresden jedenfalls keine mehr, sagt die Architektin.