Von Manfred Müller
Großenhain. Kommt nun ein Unwetter oder kommt keins? Die Meldungen fürs vergangene Wochenende waren widersprüchlich. Am Ende ging das Stadtfest ohne Blitz und Donner über die Bühne. Auch wenn sich am Horizont immer mal Gewitterköpfe aufbauten – die Röderstadt wurde ausschließlich in Sonnenschein gebadet.
So auch beim Seifenkistenrennen am Samstagnachmittag, das bei Großenhainer Festivitäten gerade zu einer originellen Tradition heranwächst. Zwar starteten von der Rampe auf der Naundorfer Straße diesmal nur knapp 20 der antriebslosen Gefährte – etwa halb so viele wie beim Tag der Sachsen – aber trotzdem wurde um jede Zehntelsekunde gerungen.
Der Biedersche Familienclan aus Nieschütz gehört schon zu alten Hasen im Seifenkisten-Renngeschäft. Vor 16 Jahren baute Vater Lutz das erste Holzvehikel für seine erstgeborene Tochter, die bei einem Wettbewerb in Meißen starten wollte. Mittlerweile haben die jüngeren Schwestern Laura (18) und Hannah (13) die Steuerseile in die Hand genommen. Mit ihren fantasievoll bemalten, windschnittigen Fahrzeugen fuhren beide locker den Sieg in ihrer Altersklasse ein. „Man muss die Ideallinie schnell und ohne große Steuerbewegungen finden“, plaudert Laura aus dem Nähkästchen. „Und nicht über Gullydeckel fahren. Das kostet wertvolle Zehntel.“ Die Nieschützerin fährt mit ihrer bayernrot bemalten Seifenkiste ungefährdet auf Platz eins und bringt es dabei auf sagenhafte 25 Kilometer pro Stunde Durchschnittgeschwindigkeit. Die Bieders haben schon nahezu alle Seifenkistenrennen in der Region mitgemacht – bis hin zu Wettbewerben auf dem Lausitzring und in Freiberg. „Der nächste Start wird auf dem Sachsenring sein“, verrät Lutz Bieder. Großenhain sei dafür ein willkommenes Training.
Beim Probedurchgang stieg auch Großenhains Oberbürgermeister in einen der Boliden. „Das Körpergewicht macht es offensichtlich nicht“, kommentiert Sven Mißbach seinen Versuch, als anschließend ein Dreikäsehoch schneller ins Ziel rollt. Jüngster Teilnehmer war übrigens die sechsjährige Nora Schumann, ältester Seifenkistenpilot der 78-jährige Klaus Reissmann aus Weixdorf.
Neben der Marienkirche hat Sprühkünstler Sebastian Bieler eine große Leinwand aufgebaut, wo sich jeder, der ähnliche Ambitionen hegt, mit der Sprühflasche verewigen kann. „Ich will einen Löwen malen“, erklärt der vierjährige Helge im Brustton der Überzeugung. Nicht lieber bloß einen Löwe-Schriftzug? „Nein, ich kann das!“ sagt Helge und zieht die winzigen Handschuhe für Sprayer-Eleven über. Ein bisschen helfen muss ihm Bieler dann aber doch, weil der kleine Mann die Sprühdüse noch nicht richtig herunterdrücken kann.
Graffiti im Zeitraffer geplant
Nebenan malt Tim (10) eine Spinne, die gerade in einem Lavastrom versinkt. „Das stammt aus dem Computerspiel Minecraft“, erklärt er. „Da habe ich schon viele Spinnen gekocht.“ Die Szenerie auf und vor der Leinwand wird vom Filmexperten Christian Stelzner in Sekundenabständen fotografiert und soll später zu einem Zeitraffer-Movie zusammengeschnitten werden. „Wenn man das gleiche Motiv immer wieder neu in Szene setzt, kann man tolle Sachen damit machen“, sagt Stelzner. Der Löwe und die Spinne werden zwar bald schon übermalt sein, aber im Film sind sie ja schon für die Ewigkeit festgehalten.
Auf der Festwiese unterhalb des Stadtbades haben die Großenhainer Feuerwehr, das THW und die Polizei ihre Technik aufgebaut. Mittendrin ein kleines Zelt, in dem Frank Wildfeuer seine Sammlung historischer Brandschutz-Ausrüstungen präsentiert. „Ein Ausbilder hat mich mal nach meinem Hobby gefragt“, erzählt er. „Die Antwort lautete: Atemschutz!“ Wildfeuer war zu DDR-Zeiten Kreisgerätewart im Stützpunkt Strießen und ist mit seinen 59 Jahren immer noch bei der Großenhainer Wehr aktiv. Er hat nicht nur eine beeindruckende private Ausrüstungs-Kollektion zusammengetragen, sondern weiß auch viel Interessantes darüber zu erzählen. „Technisch gesehen gab es zwischen den Feuerwehren Ost und West gar keine großen Unterschiede“, erklärt er. „Trotzdem musste das Ost-Zeug nach der Vereinigung weggeschmissen werden, weil für die Ausrüsterfirmen im Westen ein großes Geschäft winkte.“
Wirklich traurig dürften Großenhains Feuerwehrleute über die neue Ausrüstung aber nicht gewesen sein. Auch nicht über die modernen Fahrzeuge, die am Sonntagnachmittag in einem Paradezug die Innenstadt umrundeten. Angeführt wurde der Zug von der berühmten Atze-Feuerwehr, die bereits 64 Jahre auf dem Buckel hat und in den 1980ern für die AG Junge Brandschutzhelfer zur Nachwuchsgewinnung durch Schulen und Kindergärten tourte.