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Im Sorbenland droht Lehrermangel

In wenigen Jahren werden voraussichtlich über 70 Lehrer fehlen, die in Sorbisch unterrichten können. Um die Lücke zu schließen, fordern Domowina und Sorbischer Schulverein auch einen Blick nach Tschechien und Polen.

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© dpa

Miriam Schönbach

Bautzen. Mit dem Abiturzeugnis frisch in der Tasche denkt man gewöhnlich nicht schon wieder an die Schule. Florian Bräuer dagegen sitzt auf einer Bank seines ehemaligen Schulhofs. Der Blick geht hoch zu den Fenstern des Sorbischen Schul- und Begegnungszentrums in Bautzen. „Nach dem Ende meines Studiums und ein paar Zwischenstopps möchte ich eigentlich hierher als Mathe- und Physiklehrer zurückkehren und die Fächer auch auf Sorbisch unterrichten“, sagt er.

Der 19-Jährige wird dann genau zum richtigen Zeitpunkt kommen. Schon jetzt sind Pädagogen knapp, die Unterricht auf Sorbisch halten können. „Wir können den Grundbereich an den sorbischen Schulen im kommenden Schuljahr sichern. Da aber nicht genügend Muttersprachler zur Verfügung stehen, gibt es Einschnitte bei dem 2plus-Konzept“, sagt Angela Ruscher von der Sächsischen Bildungsagentur in Bautzen. In diesen 2plus-Gruppen sollte in zwei Sprachen mit zwei Lehrern unterrichtet werden. Dieses sogenannte Teamteaching muss vielerorts gestrichen werden.

Darüber hinaus werden nach Schätzungen des Sorbischen Schulvereins bis 2022 voraussichtlich über 70 Lehrer in der Ober- und Niederlausitz die Schule aus Altersgründen verlassen. „Wir sehen diese Entwicklung mit Sorge“, sagt Ludmila Budar, Vorsitzende des Sorbischen Schulvereins. Diese Zahl bestätigt Sebastian Handrick, der sich in der Bautzener Bildungsagentur um die sorbischen Fragen kümmert.

Gebraucht werden die Lehrer für derzeit gut 4 000 Schüler, Tendenz leicht steigend, in Sachsen und Brandenburg. Etwa ein Viertel sind davon Muttersprachler, der Rest Witaj-Schüler. Sie kommen aus den 37 Kindertagesstätten der Ober- und Niederlausitz, in denen die Kinder in sorbischer Sprache betreut werden. Zum größten Teil stammen sie aus deutschen Familien. In einen solchen Kindergarten ging auch Florian Bräuer. Danach wechselte er an die Sorbische Grundschule in Bautzen und nach der vierten Klasse an das Sorbische Gymnasium. Die Muttersprachler erhalten dort Fachunterricht in sorbischer Sprache.

Langfristige Planung nötig

Bräuer will sein Studium in Leipzig absolvieren. Dort gibt es eine große sorbische Studenten-Gemeinschaft - und das Institut für Sorabistik an der Universität. Es ist der einzige Ort, der Sorbisch-Lehrer für die Nieder- und Oberlausitz ausbildet. „Pro Jahr beginnen hier bis zu drei Studenten aus der Niederlausitz und bis zu fünf Studenten aus der Oberlausitz“, sagt Leiter Prof. Eduard Werner. Nach Rechnungen des Schulvereins müssten jährlich 15 sorbische Lehrer ihr Studium beenden, um den Bedarf zu decken.

Der Bautzener Gymnasiast wird nun Mathematik und Physik studieren. „Zusätzlich will ich meine Fach-Sorbisch-Kenntnisse verbessern. Es werden gerade auch Lehrer benötigt, die den Unterrichtsstoff in sorbischer Sprache weitergeben können“, sagt er. Die Interessenten, die sich verpflichten, nach dem Studium an eine Schule mit Sorbisch-Unterricht zurückzukehren, erhalten bereits mit dem Abiturzeugnis durch die Sächsische Bildungsagentur eine Garantie für ein Referendariat. Auch Bräuer beginnt mit einem solchen Schreiben seine Universitätslaufbahn.

Aber das ist nur ein Weg gegen den Lehrernotstand, weiß Domowina-Vorsitzender David Statnik. „Wir brauchen eine langfristige Planung. Fachhochschulabsolventen müssen genauso die Türen wie Quereinsteigern geöffnet werden. Auch über Unterstützung aus dem nachbarschaftlichen Ausland müssen wir nachdenken“, sagt er.

Für ihn wie für Budar wäre vorstellbar, dass Lehrer aus Tschechien und Polen die Lücke ausfüllen könnten. Sowohl der Sorbische Schulverein als auch Domowina seien im ständigen Kontakt mit den beiden zuständigen Länderministerien und der Sächsischen Bildungsagentur, um den Bedarf zu decken. Die Domowina als Bund Lausitzer Sorben ist für die Politik der Ansprechpartner.

Tagesgruppe auf den Weg gebracht

Währenddessen gibt es aus der Landeshauptstadt auch gute Nachrichten für die dort lebenden Sorben. Zum ersten Mal wird im neuen Schuljahr ein Ganztagsangebot „Sorbisch“ an einer Grundschule geben. Initiator ist der Verein „Stup Dale“. Darin haben sich Eltern mit sorbischen Wurzeln zusammengeschlossen, die in Dresden wohnen. Zuerst haben sie eine Tagesgruppe auf den Weg gebracht. Nun können ihre Kinder auch an der Schule weiter in die sorbische Sprache eintauchen. Knapp zehn Interessenten gibt es für diesen Kurs. Mittelfristig sei zudem eine Kombination mit Förderunterricht geplant, sagt Petra Nikolov von der Sächsischen Bildungsagentur in Dresden. Doch auch dazu braucht es einen Sorbisch-Lehrer. (dpa)