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Immer mehr Schüler fallen durchs Abitur

In den vergangenen neun Jahren ist die Quote fast durchweg gestiegen. Sachsens Schüler entsprechen aber nicht dem Bundestrend.

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© Symbolbild: dpa/Armin Weigel

Berlin. Es ist die erste große Prüfung - und sie endet für immer mehr junge Leute mit einer handfesten Enttäuschung: In Deutschland rasseln wieder mehr Schüler durchs Abitur. In den vergangenen neun Jahren ist die Quote der nicht bestandenen Prüfungen nahezu stetig gestiegen, wie eine Auswertung der Deutschen Presse-Agentur zeigt. Zuletzt scheiterte etwa einer von 26 Prüflingen. Experten kritisieren, dass Schüler schlechte Leistungen vor dem Abitur zu einfach ausgleichen könnten - in der Prüfung dann aber nicht mehr.

Während im Abiturjahrgang 2009 laut Statistik der Kultusministerkonferenz noch 2,39 Prozent der Schüler durchfielen, waren es 2017 schon 3,78 Prozent. Für 2018 liegen noch nicht aus allen Bundesländern Zahlen vor, die Tendenz bestätigt sich jedoch: In vielen Ländern stieg die Durchfaller-Quote erneut. Besonders hoch ist sie in Mecklenburg-Vorpommern, wo 2017 etwa jeder 14. Abitur-Prüfling scheiterte.

Auch in Sachsen steigt die Zahl der Abiturienten, die ihre Prüfungen nicht bestehen, in den letzten Jahren wieder. 2014 fielen genau 224 Jugendliche durch, das waren 2,5 Prozent. 2017 waren es 3,1 Prozent. Das heißt auch, dass 96,9 Prozent ihre Prüfungen bestanden haben. „Damit liegt die Bestehensquote auf einem über die Jahre konstant hohem Niveau“, sagt Ministeriumssprecher Dirk Reelfs. „Wenngleich es gewisse Schwankungen gibt, die nicht nur in eine Richtung ausschlagen.“

Fast jeder Vierte mit einer 1 vorm Komma

Zugleich wird bundesweit häufiger die Note 1,0 vergeben. Fast jeder vierte Abiturient hatte eine eins vor dem Komma. Auch Sachsens Abiturienten werden besser. Lag der Mittelwert der Abiturnoten 2016 noch bei 2,32, verbesserten die Schüler ihre Ergebnisse im Mittel auf 2,28. Im vergangenen Jahr erreichten 300 Abiturienten eine Note von 1,0 – 27 Schüler mehr als im Vorjahr. In die Durchschnittsnote fließen neben den Prüfungsergebnissen auch die Noten der gymnasialen Oberstufe mit ein. 

Das verdeutliche die Abhängigkeit des Bildungserfolgs vom Elternhaus der Kinder, sagt der Vorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung (VBE), Udo Beckmann. Bei der einen Gruppe könnten die Eltern die notwendige Förderung und Unterstützung privat organisieren, die anderen fielen "durchs Rost". "Die Schere öffnet sich immer weiter", sagt Beckmann.


Sachsen in der Spitzengruppe

Sachsen liegt beim Abiturdurchschnitt schon seit Jahren in der Spitzengruppe der Länder. Das Ministerium mache aber keine Vorgaben an die Lehrer, die die Abituraufgaben entwickeln, diese besonders einfach zu gestalten. „Das entspricht nicht unserer Vorstellung vom Wert des Abiturs“, sagt Dirk Reelfs. Bei den Aufgaben, die Sachsen schon seit Jahren gemeinsam mit anderen Bundesländern entwickelt, funktioniere das ohnehin nicht. Für das Kultusministerium liegen die Gründe in der geringen Übergangsquote von der Oberschule an das Gymnasium und der Konstanz im sächsischen Schulsystem.

Die Vorsitzende des Philologenverbands, Susanne Lin-Klitzing, sieht eher Fehler in der Konzeption des Abiturs. "Im Abitur zeigt sich die Frucht von kontinuierlichem Lernen und kontinuierlichem Leisten - im Positiven wie im Negativen", sagt sie. Schülern werde diese Kontinuität aber nicht abgefordert, manche würden bereits ab der Unter- und Mittelstufe nur versetzt, weil sie schlechte Leistungen in einem Fach durch gute in einem anderen Fach ausbügeln könnten. "Nur am Schluss, im Abitur, müssen Mathe, Deutsch und eine Fremdsprache verbindlich bestanden werden, da hilft kein Ausgleich mehr", sagt die Erziehungswissenschaftlerin, deren Verband die Gymnasiallehrer vertritt.

Außerdem falle es vielen Jugendlichen schwer, sich schon im Januar auf Prüfungen im April vorzubereiten, sagte Lin-Klitzing. Mit den Abitur-Regelungen der Kultusminister werde dieses kontinuierliche Lernen nicht genügend gefördert und gefordert. So müssten Schüler in der Oberstufe nur 32 bis 40 ihrer Kurse ins Abitur einbringen. Sie belegten aber deutlich mehr - die Noten in den übrigen Kursen zählten allerdings nicht fürs Abitur. Und selbst in solchen Kursen, die zur Abi-Berechnung hinzuzählten, dürften Schüler immerhin achtmal durchfallen.

Thüringer haben besten Schnitt

Die Jugendlichen lernten also, dass sie gar nicht immer ihre beste Leistung bringen müssten. "Mehr Kurse einzubringen wäre aus vielerlei Hinsicht sinnvoll, weil sie ein besseres Abbild der kontinuierlichen Leistung in der gesamten Oberstufe geben", sagt Lin-Klitzing. Dann gebe es einen anderen Ansporn oder die Schüler merkten rechtzeitiger selbst, dass ihre Leistungen nicht ausreichten. In diesem Fall könnten sie entweder einen Lernturbo zünden oder Kurse freiwillig wiederholen. Das Sitzenbleiben während der Qualifikation fürs Abi einzuführen, hält Lin-Klitzing dagegen nicht für sinnvoll.

Die Vorsitzende des Philologenverbands plädierte auch dafür, Abiturienten leistungsgerechter zu bewerten. "Was ich will, ist, dass gute Leistung gut bewertet wird, sehr gute Leistung sehr gut, aber nicht-ausreichende Leistung eben auch nicht-ausreichend." Zur Zeit brauche ein Schüler nicht einmal die Hälfte der Maximalpunktzahl, um eine Prüfung zu bestehen. Das bereite die jungen Leute schlecht auf Arbeitsleben und Studium vor.

Insgesamt sind die Abinoten in den vergangenen Jahren zwar etwas besser geworden, doch nicht stark. Den besten Notendurchschnitt gab es im Jahr 2017 in Thüringen mit 2,18, den schlechtesten in Niedersachsen mit 2,57. (dpa mit SZ/sca)