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In den Hinterhalt gelockt

Um Schulden einzutreiben, wurden zwei junge Männer handgreiflich. Der Richter findet dafür deutliche Worte.

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Von Yvonne Popp

Freital/Dippoldiswalde. Wäre dieser Prozess nicht nach Jugendstrafrecht verhandelt worden, wäre er für Alberto F. weniger glimpflich ausgegangen. „Einen Erwachsenen hätte ich für eine derartige Tat einfahren lassen“, versichert Richter Xaver Seitz, Vorsitzender des Jugendschöffengerichts, dem Angeklagten. Für die Hinterhältigkeit, mit der der Angeklagte und sein Bekannter Filip H. vorgegangen waren, findet er deutliche Worte. Sie zeuge von viel krimineller Energie und sei schlicht erschreckend.

Die beiden jungen Männer – keine Unbekannten am Amtsgericht Dippoldiswalde – sollen im April vergangenen Jahres den 18-jährigen Simon D. am Bahnhof Hainsberg erst in einen Hinterhalt gelockt und dann so verprügelt haben, dass er Schürfwunden im Gesicht und Prellungen am Oberkörper erlitt.

„An dem Tag war ich mit recht vielen Leuten unterwegs“, erzählt Alberto F. dem Gericht. Zirka acht oder neun Mann seien sie gewesen. Der mitangeklagte Filip H. war auch darunter. Zur Verhandlung erschienen ist er aber nicht. Weder seine Mutter noch der amtlich bestellte Vormund kennen seinen momentanen Aufenthaltsort. Möglich ist, dass sich H. versteckt. Gegen ihn liegen mehrere Haftbefehle vor.

Alberto F. erzählt weiter, dass er Simon D. zur Rede stellen wollte, weil der noch Geld bei ihm offen hatte. Jemand aus der Truppe habe ihm dann eine Nachricht aufs Handy geschickt und ihn unter einem Vorwand zum Bahnhof bestellt. „Als Simon ankam, fragte ich ihn, was nun mit meinem Geld ist, und dann habe ich ihm gleich eine gegeben“, gibt der 21-jährige Metallbauer zu. Auf Nachfrage des Richters erklärt der Angeklagte, dass er mit „eine gegeben“ einen Faustschlag ins Gesicht meint.

Filip H. habe währenddessen ganz in der Nähe gestanden, der Rest der Gruppe etwas weiter weg. „Nach dem ersten Schlag bin ich zurückgetreten“, sagt Alberto F. Den Rest habe dann der Filip übernommen. Mehr als zwanzigmal soll er auf Simon D. eingeschlagen und später, als dieser schon am Boden lag, auch nach ihm getreten haben.

Danach habe man den Bahnhof verlassen. „Draußen drohte ich dem Simon noch einmal. Dabei erwischte ich ihn mit der flachen Hand im Gesicht.“ Das sei aber aus Versehen passiert, teilt der Angeklagte mit. Dafür habe er sich auch gleich entschuldigt. Aber nur dafür, für die Prügelattacke nicht.

Drogentherapie als Strafe

An diese Entschuldigung kann sich der Geschädigte nicht erinnern. Allerdings, so gibt er zu Protokoll, habe er den Angeklagten wenige Monate nach der Tat im Bus getroffen. Da habe er sich bei ihm für die gesamte Prügelattacke entschuldigt. „Seitdem fühle ich mich auch wieder etwas sicherer“, erzählt Simon D. In der Zeit unmittelbar nach dem Angriff sei das nicht der Fall gewesen. „Da habe ich mich gerade abends nicht mehr allein aus dem Haus getraut.“ Schließlich sei er von Freital nach Tharandt gezogen.

„Wie kam es denn, dass Sie bei dem Angeklagten Schulden hatten?“, will der Richter dann noch wissen. Simon D. erzählt, dass bei einer Geburtstagsfeier die Wasserpfeife des Angeklagten zu Bruch gegangen war. Weil aber keiner daran schuld gewesen sein wollte, hatte Alberto F. von jedem Anwesenden pauschal 20 Euro Schadenersatz gefordert. Einige zahlten, Simon D. aber nicht. „Ich habe die Bong nicht heruntergeworfen, also wollte ich auch nicht dafür aufkommen“, sagt er abschließend.

Richter Xaver Seitz sieht es dann auch als erwiesen an, dass sich der Angeklagte mit dem feigen Angriff selbst zu seinem Recht verhelfen wollte. „Das ist aber verboten“, macht er Alberto F. klar. Weil der Angeklagte zur Tatzeit noch keine 21 Jahre alt war und ihm von der Jugendgerichtshilfe auch deutliche Reifedefizite attestiert worden sind, verurteilt ihn Xaver Seitz zur Zahlung von 400 Euro Schmerzensgeld an den Geschädigten. Außerdem bekommt er die Kosten des Verfahrens auferlegt.

Daneben muss Alberto F. wegen seiner Alkohol- und Cannabissucht bis zum Juli eine Langzeittherapie antreten. Eine erste Entgiftung hatte er erst kürzlich nach nur einer Nacht abgebrochen.