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In Görlitz verschwindet ein Denkmal

Seit Donnerstag reißt ein großer Bagger die Landeskronstraße 34 ab. Das Spektakel lockt viele Schaulustige an.

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© nikolaischmidt.de

Von Ingo Kramer

Görlitz. Drei staunende Kinder sitzen auf zur Leerung bereitgestellten Mülltonnen, Erwachsene lümmeln am Baugerüst oder an der Hauswand. Viele Augenpaare sind auf das Haus gegenüber gerichtet, die Landeskronstraße 34. Andere haben nur ihr Mobiltelefon im Blick, das die freie Sicht aufs Gegenüber versperrt: Sie filmen, was dort passiert, sie filmen den Abriss eines Denkmals inmitten einer seit über 100 Jahren geschlossenen Häuserzeile.

Der große Bagger trennt die Materialien beim Abriss sorgfältig. Für Holz gibt es einen separaten Haufen.
Der große Bagger trennt die Materialien beim Abriss sorgfältig. Für Holz gibt es einen separaten Haufen. © nikolaischmidt.de
Während sich der Bagger die Brandmauer der Nummer 34 greift, bleibt die Brandmauer der 33 intakt.
Während sich der Bagger die Brandmauer der Nummer 34 greift, bleibt die Brandmauer der 33 intakt. © nikolaischmidt.de
Staub über Staub: Immer wieder greift die Baggerschaufel in das Gebäude Landeskronstraße 34 und schnappt sich Einzelteile.
Staub über Staub: Immer wieder greift die Baggerschaufel in das Gebäude Landeskronstraße 34 und schnappt sich Einzelteile. © nikolaischmidt.de
Auf der Straße steht ein Arbeiter mit einem Wasserschlauch, um den Staub zu binden.
Auf der Straße steht ein Arbeiter mit einem Wasserschlauch, um den Staub zu binden. © nikolaischmidt.de
Während der Bagger arbeitet, stehen am anderen Straßenrand Schaulustige. Sie beobachten, fotografieren und filmen den Abriss.
Während der Bagger arbeitet, stehen am anderen Straßenrand Schaulustige. Sie beobachten, fotografieren und filmen den Abriss. © nikolaischmidt.de
Während der Bagger arbeitet, stehen am anderen Straßenrand Schaulustige. Sie beobachten, fotografieren und filmen den Abriss.
Während der Bagger arbeitet, stehen am anderen Straßenrand Schaulustige. Sie beobachten, fotografieren und filmen den Abriss. © nikolaischmidt.de
Während der Bagger arbeitet, stehen am anderen Straßenrand Schaulustige. Sie beobachten, fotografieren und filmen den Abriss.
Während der Bagger arbeitet, stehen am anderen Straßenrand Schaulustige. Sie beobachten, fotografieren und filmen den Abriss. © nikolaischmidt.de

Inmitten der Zuschauer steht Rainer Hentschel. Der Rentner ist schräg gegenüber in der Landeskronstraße 12 aufgewachsen. „In der 34 wohnte ein Freund, ganz oben unter dem Dach“, erinnert er sich. Der sei mit seiner Familie bereits in den 1970er Jahren ausgezogen, weil es einzuregnen begann. Die unteren Etagen waren noch länger bewohnt. Dass das Haus nach so langem Verfall mittlerweile so marode ist, dass am 24. Februar ein Teil der Fassade auf die Straße stürzte und ein Statiker hinterher zu dem Ergebnis kam, dass das Haus nicht mehr zu retten ist: Rainer Hentschel wundert es nicht. „Ich habe die ganzen Jahre gesehen, wie es immer mehr vermüllte und wie sonst nie etwas passiert ist.“ Ob ihm der Abriss jetzt wehtut? Naja, sagt Hentschel, im Vergleich zu den Nachbarhäusern sei die 34 das schlichteste: „Um die anderen würde es mir mehr leidtun.“

Der Abrissbagger von der Spezialfirma Reinwald aus Böhlen bei Leipzig leistet derweil ganze Arbeit. Exakt um 10.28 Uhr rammt er am Donnerstag seine Schaufel das erste Mal in das Haus. Genauer gesagt, in die Gaube oben links. In kleinen Schritten trägt er die erste Gaube ab, dann die Zweite, dann von den Gauben nach oben zum Flachdach. Mit einem Mal packt er sich die Antenne und die Satellitenschüssel. Ein Arbeiter steht mit dem Wasserschlauch am Rande. Immer, wenn die Baggerschaufel zupackt, gibt er Wasser drauf, damit es nicht allzu sehr staubt. Doch es hilft nur bedingt: Am Nachmittag sind die parkenden Autos vor den Nachbarhäusern mit einer dünnen Staubschicht überzogen.

Der Bagger wirft die Einzelteile nicht aus großer Höhe auf die Straße, sondern legt alles behutsam am Boden ab und trennt dort sorgfältig die Materialien: Ein Häufchen für Holz, ein zweites für Metall, vor der Fassade ein Schuttberg. Wird ein Haufen zu groß, greift die Baggerschaufel mittenrein und hebt die Materialien – unter dem Jubel der Kinder auf den Mülltonnen – an, um sie in einen der ringsum bereitstehenden Container zu legen.

Zur Mittagspause sind Dachgeschoss und dritter Stock der linken Haushälfte weg. Allerdings nur der vordere, der Straße zugewandte Teil. Zum Hof hin hat das Haus noch seine volle Höhe. Daran ändert sich auch am Nachmittag erst einmal nichts. Der Bagger nimmt sich nun die rechte Haushälfte vor. Wieder geht es oben bei den Gauben los und von da allmählich ins Dach hinein und dann weiter nach unten. Mittlerweile ist auf der linken Hausseite schon sehr gut sichtbar, was Rathaussprecher Wulf Stibenz im Vorfeld der Arbeiten erklärt hatte: Die Häuser der Landeskronstraße wurden jedes für sich allein erbaut. Zwei Brandmauern stehen direkt aneinander. Während der Bagger also die Brandmauer der Nummer 34 mit wegreißt, bleibt ihr Pendant von der 33 stehen. Alle Beteiligten hoffen freilich, dass sie keinen Schaden nimmt. Genau wird das nach dem Ende der Arbeiten zu sehen sein.