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In Rietschen zum Abitur

An der Freien Schule laufen Vorbereitungen für die gymnasiale Oberstufe. Es gibt viel Optimismus und hohe Hürden.

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© André Schulze

Von Carla Mattern

Nicole Posern sorgt für leuchtende Augen bei Schulleiterin Annett Tewellis. Mit 19 hat die Rietschenerin am Beruflichen Schulzentrum Christoph Lüders in Görlitz ihr Abiturzeugnis bekommen. Darauf steht eine 1,0. Mit diesem Traumergebnis war sie im vergangenen Jahr die einzige Einser-Abiturientin aller Görlitzer Gymnasien und Fachoberschulen. Jetzt erfülle sie sich ihren Wunsch vom Medizinstudium, berichtet Annett Tewellis stolz.

Im Jahr 2012 gehörte die damalige Zehntklässlerin noch zu den Schülern der Freien Schule Rietschen, die ihre Abschlussprüfung nicht einmal an ihrer Heimatschule absolvieren durften, sondern dazu an die staatliche Oberschule in Krauschwitz fahren mussten. Der Grund dafür: Die staatliche Anerkennung als Ersatzschule und damit auch das Privileg, die Abschlussprüfungen abzunehmen, erhielt Rietschen erst im Jahr 2013.

Der Kampf um diese wichtige Anerkennung ist noch allgegenwärtig. Und spornt an. Denn das nächste Ziel hat es auch in sich. An der Freien Schule sollen junge Leute künftig auch ihr Abitur machen können. Schon seit etwa zwei Jahren beschäftigen sich die Mitglieder des Trägervereins und das Lehrerteam mit dem Gedanken, sagt Wolfgang Schmidt, der Vorsitzende des Trägervereins Freie Schule Rietschen. Die Vorstellungen darüber, wie das funktioniert, sind bereits sehr konkret. Nach dem Realschulabschluss mit Klasse 10 können Mädchen und Jungen, die die Voraussetzungen für die Zulassung zum Abitur erfüllen, eine dreijährige gymnasiale Ausbildung beginnen.

Nach einem sogenannten Einführungsjahr folgen zwei Jahre vergleichbar denen an jedem staatlichen Gymnasium in der Sekundarstufe II mit Grund- und Leistungskursen. Angelehnt ist die gymnasiale Oberstufe an der Freien Schule aber an die Ausbildung an einer Fachoberschule mit Abiturabschluss wie beispielsweise an Beruflichen Schulzentren. Spezialisieren will sich die Freie Schule dabei auf Gesundheits- und Sozialwesen oder Wirtschaftswissenschaften, sagt die Schulleiterin.

Für das neue Angebot muss der Trägerverein auch die passenden Lehrer beschäftigen, die für die Sekundarstufe II ausgebildet sind. Einige der Lehrer aus dem insgesamt 19-köpfigen Team haben diese Qualifikation. Mit potenziellen neuen Kollegen werden bereits Gespräche geführt. Eine junge Lehrerin plane sogar, nach Rietschen zu ziehen, weil sie bei den Vorbereitungen dabei sein möchte, so die Schulleiterin.

Klar ist, dass das Konzept des Lehrens und Lernens nach den Prinzipien von Maria Montessori auch für den Gymnasialteil der Freien Schule angewendet wird. „Jetzt sprechen wir vom Lernen lernen, dann auch vom Studieren lernen“, sagt Annett Tewellis. Bereits in der konzeptionellen Phase sind die Lehrer eingebunden.

Auch Eltern wissen bereits von den Planungen, signalisieren Interesse. Unter den jetzigen Neuntklässlern werden die ersten Abiturienten sein. Fünf Schüler haben das Zeug zum Abi, weitere zwei, drei können sich noch steigern und die Hürde zum Gymnasium schaffen, schätzt die Schulleiterin ein. Zulassungskriterien sind ein Realschulabschluss von mindestens 2,5. Von vier Eltern sei schon nachgefragt worden. Sollten die Pläne der Rietschener aufgehen, können sogar Mädchen und Jungen aus anderen Schulen mit der 11. Klasse an der Freien Schule in Richtung Abitur einsteigen. 49 junge Leute haben mit dem Realschulabschluss die Freie Schule Rietschen verlassen, sieben mit dem Hauptschulabschluss, davon zwei mit einem sogenannten qualifizierten Hauptschulabschluss. Sechs davon haben das Abitur und elf das Fachabitur gemacht beziehungsweise sind gegenwärtig dabei, sagt Annett Tewellis. Und schränkt ein, dass das die Abiturienten sind, von denen sie wisse.

Vom Krippenalter bis zum Abitur in Rietschen: Bis dahin sind noch einige Hürden zu nehmen. „Das könnte ein Alleinstellungsmerkmal für unsere Freie Schule sein“, sagt Wolfgang Schmidt. Aber neben der Lehrersuche beschäftigen ihn auch die finanziellen Voraussetzungen. Zurzeit beträgt das Jahresbudget der Rietschener etwa eine halbe Million Euro. Wie viel mehr gebraucht wird? „Wir sind gerade am rechnen, aber es werden mindestens 100 000  Euro mehr“, sagt Wolfgang Schmidt.

Am Sonnabend stellt sich die Schule beim Schau-mal-rein-Fest vor und lädt künftige Fünftklässler mit Eltern, die Rietschener und andere Interessierte ein. Dann gibt es neben vielen anderen Infos auch welche zum Abitur.

Offene Türen: am 27.2., 10-16 Uhr, Freie Schule Rietschen, Rothenburger Straße 14a, und nebenan im Fema-Saal 10-12.30 Uhr, Baby- und Kinderkleiderbörse