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In zwei Minuten zum Helden

315 Menschen wollen der leukämiekranken Isabell Schurig aus Döbeln helfen. Und das ist eigentlich ganz leicht.

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© Dietmar Thomas

Von Marcus Möller

Döbeln. Es ist so einfach. Nicht einmal ein Stechen mit der Nadel, keine stundenlange Zeremonie und weh tut’s auch nicht – nur ein ganz kurzes Intermezzo: Anmeldung per Zettel - eine Minute, dann jeweils eine halbe Minute mit dem Wattestäbchen die linke und die rechte Wangeninnenseite abstreichen – eine Minute. Im Vergleich zu den Minuten, die ein ganzes Menschenleben hat, ist dieser kurze Akt des Mitgefühls verschwindend kurz. Allerdings kann er überragend wichtig werden.

Isabell Schurig steht mit ihrer Mutter vor der Bühne des Saales und schaut auf die zehn dort aufgebauten Tische – jeweils ausgestattet mit zwei wartenden Johannitern. Die 25-Jährige hofft heute, bei der Typisierungsaktion im Volkshaus Döbeln, auf möglichst viele Teilnehmer. Nachdem sie erfuhr, dass sie Leukämie hat, schrieb ihre Mutter Carmen Schurig kurzerhand den Verein für Knochenmark- und Stammzellenspenden an. „Ich bin ganz gerührt, wenn ich sehe, wie viele Helfer hier heute anwesend sind und wie schnell und kurzfristig das alles organisiert wurde.“, sagt Carmen Schurig. Auch Isabell Schurig merkt man die Demut bei dieser Aktion an: „Es kommt hier vor allem auch so viel Zuspruch – zum Teil von Menschen, die ich gar nicht kenne. Es ist schön, solche Solidarität zu erfahren.“

Diese Solidarität ist dringend notwendig. Eine Knochenmarkspende könnte Isabell Schurig zur Heilung verhelfen. Bei der Typisierung allerdings wird nur festgestellt, wer dafür überhaupt infrage käme: „Wir suchen sozusagen den genetischen Zwilling.“, sagt Ronny Rehm vom Verein. Bei der Typisierung nähme man Mundschleimhautpartikel und Speichel als Grundlage. Zehn von zehn Merkmalen müssen hier übereinstimmen. „Das ist der erste, grobe Filter. Wir gucken, wer zumindest potenziell infrage kommen könnte.“, sagt Ronny Rehm.

Die Wahrscheinlichkeit, ein potenzieller Spender für Isabell Schurig zu sein, liegt bei zwei Prozent. Umso wichtiger ist es deshalb, dass möglichst viele Leute teilnehmen. Denn dann ist zwei von hundert keine schlechte Zahl. An diesem Sonnabend zählten Ronny Rehm und sein Team 315 Teilnehmer und nahmen 264,50 Euro an Spenden ein. Eine Typisierungsaktion in Ostrau fand kürzlich 1150 Teilnehmer. „Natürlich hat man sich mehr erhofft – gerade nach der überwältigenden Aktion in Ostrau.“ , sagt Ronny Rehm. Aber Unmut sei trotzdem nicht angebracht. Immerhin habe man 315 neue potenzielle Spender.

Viele der Spender kamen gar aus Leipzig oder Dresden angereist und sind sich der Notwendigkeit von Typisierungsaktionen vor allem durch Leute aus ihrem Umfeld bewusst, die an Leukämie erkrankten. Anders ist es bei Stephanie Bischoff. Die 28-Jährige kommt aus Döbeln und wurde erst am Vormittag von einer Freundin an die Aktion erinnert. Also entschied sie kurzerhand, ins Volkshaus zu gehen. „Es ist ja nichts dabei. Man kann jemand anderem helfen und würde sich solche Unterstützung ja auch selbst wünschen, wenn einen dieses Schicksal trifft“, sagt Stephanie Bischoff. So stochert sie ein Minütchen mit den Wattestäbchen im Mund herum – danach gibt es sogar noch Gummibärchen und Traubenzucker. So einfach ist es, ein Held zu sein.