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Ist das nun wirklich Stubbes letzter Fall?

Wolfgang Stumph kehrt als grantelnder Ermittler im Ruhestand zurück ins Fernsehen – für eine gelungene Ausnahme.

Von Oliver Reinhard
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Ausgerechnet einer Leiche haben Stubbe und Marlene es zu verdanken, dass ihre Liebe noch eine Chance bekommt.
Ausgerechnet einer Leiche haben Stubbe und Marlene es zu verdanken, dass ihre Liebe noch eine Chance bekommt. © ZDF

Von Zeit zu Zeit seh‘ ich den Alten gern – gut möglich, dass auch Wolfgang Stumph so über „seinen“ Wilfried Stubbe gedacht hat, den vor vier Jahren pensionierten ZDF-Ermittler. Ganz sicher aber war das die einhellige Meinung beim Zweiten. Mit entsprechendem Ergebnis: Am Sonnabend um 20.15 Uhr kehrt der sächsische Kriminalist zurück ins Fernsehen. Von Dresden elbabwärts an Hamburg vorbei bis auf eine Nordseeinsel wird Stubbe gerufen, nicht zu einem Fall, sondern von Marlene, seiner feschen rothaarigen Exliebe.

Die hat unlängst mit ihm Schluss gemacht, muss aber immer wieder an den Querkopf denken und will doch mal schauen, ob das Leben ihrer beider Liebe vielleicht eine zweite Chance gönnt. Eigentlich will Stubbe es auch. Aber er ist noch immer verletzt, und kaum zweisam am Watt, geht das gegenseitige Gezicke wieder los. „Das wird nüschd“, denkt der Wilfried sich, packt heimlich den Koffer, will sich auf den Kutter und zurück in den Osten schleichen – und kommt doch nicht runter von der Insel. Denn eine sehr schöne Dame mit sehr hässlichem Loch im Kopf dümpelt kieloben in der Brandung.

„Ein Samstagabendkrimi hat mich nicht interessiert“

Was nun beginnt, könnte ein guter alter „Stubbe“ sein, wie er bis 2014 regelmäßig frei Haus kam. Aber irgendwas ist anders. Ruhiger. Tiefer. Dialogischer. Beziehungsdramatischer. Tatsächlich geht „Tod auf der Insel“ nicht als normaler „Stubbe“ durch. So etwas wollte auch niemand im Team. Allen voran Wolfgang Stumph, der den 90-Minüter mitproduziert hat. „Ich bin oft gefragt worden, wie es Stubbe im Ruhestand geht“, sagte er der Deutschen Presseagentur. „Ein Samstagabendkrimi hat mich aber nicht interessiert.“ Ihm ging es vielmehr um die „Lebensgeschichte eines Ruheständlers mit jüngerer Frau“, die ebenso arbeitswütig ist wie er. „Stubbe kommt mit der Auszeit nicht klar, die sich beide gerade nehmen“, erklärt Stumph. „So gesehen ist es ein Beziehungsproblem mit Leiche.“

Von vorneherein hatte das Zweite nicht an eine Fortsetzung oder einen Aufguss der Serie gedacht. Sondern, so ZDF-Redakteur Pit Rampelt, „um einen eigenständigen Fernsehfilm, der neben dem Krimiplot eine emotionale Beziehungsgeschichte erzählt.“ Mit einer Ausgangssituation, in der ein Wegruf aus Dresden in Stubbes Ohren kaum verlockender klingen könnte: Ruhestand. „Für einen immer Ruhelosen ein Albtraum“, sagt Produzent Christoph Bickert. „Und genau das nagt an Stubbes Beziehung zu Marlene. Die Insel soll nun das Paar wieder zusammenbringen. Beide müssen erkennen, dass es schwieriger ist als gedacht.“ Eben darin, im Beziehungsdrama, lag für Wolfgang Stumph der größte Reiz des Projektes. Denn es geht um „Vertrauen, Verständnis, Empathie, da kommt viel zusammen, so etwas interessiert mich. Ausgang offen.“

Stubbe auf letzter Fahrt? Foto: ZDF
Stubbe auf letzter Fahrt? Foto: ZDF
Petra Brodersen kommt zur Beerdigung ihres Vaters zurück auf die Insel. Kurz darauf ist sie tot. Foto: ZDF
Petra Brodersen kommt zur Beerdigung ihres Vaters zurück auf die Insel. Kurz darauf ist sie tot. Foto: ZDF
Ein heißer Fall: Stubbe hilft dem jungen Dorfpolizisten bei den Ermittlungen. Foto: ZDF
Ein heißer Fall: Stubbe hilft dem jungen Dorfpolizisten bei den Ermittlungen. Foto: ZDF
Sie lieben und sie nerven sich: Stubbe und seine Marlene. Foto: ZDF
Sie lieben und sie nerven sich: Stubbe und seine Marlene. Foto: ZDF

Doch was Stubbe an der Flucht von Marlene hindert und dazu führt, dass der Ex-Kriminalist und die Kriminaltechnikerin es noch ein Weilchen miteinander aushalten müssen, ist nun mal ein Mord. Petra Brodersen hieß die Tote zu Lebzeiten, ein Inselgewächs, vor Jahren weggezogen, nun aber zurückgekehrt zur Beerdigung des Vaters. Ihr Tod wird zur Premiere der beiden Polizisten Jördis Meeske und Niklas Laab. Weil einen Mord, den hatten sie hier noch nie. Und wie sich bald zeigt, sind die beiden jungen Insel-Cops auch hoffnungslos überfordert. Jördis sowieso, denn die Erschossene war dereinst ihre allerbeste Freundin.

Zwar kommt bald Hilfe vom Festland in Gestalt des etwas schnöseligen Kriminalhauptkommissars Voss samt Team. Doch es sind, mit Vossens stiller Duldung, natürlich Stubbe und Marlene, die das Dunkel allmählich erhellen und den Lichtschalter in geschickt getimten Stufen heller und heller drehen. Was hat der lang zurückliegende Tod eines Kindes in den Dünen mit der Sache zu tun? Was das Verhältnis von Gezeiten und Strömungen? Was haben diverse Insulaner ins Reich der Inselgeheimnisse versenkt und warum?

Fortsetzung offen ...

Tatsächlich bringen Regisseur Oliver Schmitz, die Autoren Scarlett Kleint, Alfred Roesler-Kleint und Michail Vershinin, nicht zuletzt Kamerafrau Leah Striker und natürlich Stumph und „Marlene“ Heike Trinker einen erstaunlich stimmigen Stubbe zusammen, dem die Freiheit vom Seriellen und das abgelegen Abenteuerliche eines Inselkrimis sichtlich guttun. Das ganze ist subtil erzählt, die Geschichte dramaturgisch ent- und dennoch gut gespannt und die Atmosphäre ziemlich ansprechend.

Ob Wolfgang Stumphs „Ausgang offen“ sich auch darauf bezieht, dass es eine Fortsetzung geben könnte? Da hält sich der Dresdner dennoch lieber bedeckt. „Der Zuschauer kann darüber nachdenken, wie es weitergehen könnte, wie am Schluss der 50. Folge“, orakelt er. „Eigentlich sollte man ja aufhören, wenn es am schönsten ist. Insofern bin ich ein Rückfalltäter und im Unruhestand statt in Rente.“ Und im klassischen Sinne wohl auch ein Unterhaltungs-Konservativer: „Mir sind 90 Minuten Beziehungsprobleme lieber als neun Leichen in 90 Minuten.“

„Stubbe – Tod auf der Insel“, Samstag, 20.15 Uhr, ZDF