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Jakob-Böhme-Museum in Görlitzer Kirche?

Die Dreifaltigkeitskirche in Görlitz könnte Ort des neuen Jakob-Böhme-Museums werden. Stadt und Kirchgemeinde planen bereits.

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© Pawel Sosnowski/80studio.net

Von Sebastian Beutler

Vor vier Jahrzehnten ist Michael Kretschmer in der Dreifaltigkeitskirche getauft worden. Taufen finden mittlerweile nur noch ganz selten in der Kirche statt, auch Gottesdienste nur zu besonderen Anlässen. Die Kirche hat keine eigene Gemeinde mehr, sondern gehört wie Frauenkirche, Lutherkirche und Peterskirche zur Evangelischen Innenstadtgemeinde. Der fällt es immer schwerer, die Last von vier Kirchen zu tragen. Das spürt auch der Protestant Kretschmer. Und so unterbreitete er eine ungewöhnliche Idee: Der Bundestagsabgeordnete hat vorgeschlagen, in der Dreifaltigkeitskirche eine große Jakob-Böhme-Ausstellung ständig zu zeigen. Seit ein paar Wochen ist der Vorschlag in der Diskussion, der Stadtrat wurde am gestrigen Mittwoch unterrichtet, die Innenstadtgemeinde befragt zurzeit ihre Mitglieder, was sie davon halten.

Die Ausstellung selbst bereiten die Staatlichen Kunstsammlungen in Dresden ohnehin für das Reformationsjahr 2017 vor. Sie soll dann zunächst in Dresden gezeigt und anschließend an weiteren Orten bundesweit, vielleicht auch in Amsterdam und London, präsentiert werden. Dort sind Jakob Böhme und seine Schriften viel populärer als in Deutschland, wo die Mystik an Einfluss verloren hat und die Zugänge zu deren Gedankenwelt vielen verborgen sind. Als Partner für die Dresdner Ausstellungsmacher stehen die wichtigsten Bibliotheken zum Thema Böhme parat: die Herzog-August-Bibliothek in Wolfenbüttel, die Biblioteca Philosophia Hermetica in Amsterdam und auch die Oberlausitzische Bibliothek der Wissenschaften in Görlitz.

Der Bund, der die Ausstellung mit einem Etat von einer knappen Million Euro finanziert, hat nur eine Bedingung für sein Engagement gestellt: Sie soll anschließend dauerhaft in Görlitz einen Platz finden. Dazu hat sich Oberbürgermeister Siegfried Deinege in einem Schreiben auch verpflichtet. Erste mögliche Domizile wie die Waage am Untermarkt verwarf die Stadt aber vor allem aus baulichen Gründen. Deswegen rückte nun die Dreifaltigkeitskirche in den Blick. Für den Görlitzer Bürgermeister Michael Wieler zurecht. Die Kirche stand bereits zu Böhmes Zeiten, zugleich vermittelt der Bau jene Spiritualität, der mit den Schriften des Görlitzer Theosophen verbunden, aber so schwer darzustellen ist – weil eben kaum Originalgegenstände von Böhme erhalten geblieben sind. „Die Dreifaltigkeitskirche vermittelt das Gefühl“, sagt Wieler, „mit Böhme etwas zu tun zu haben.“

Tatsächlich unterstrich auch die Kunstguterfassung, die die Landeskirche in der Dreifaltigkeitskirche in den vergangenen drei Jahren vornahm, die architektonische und sakrale Güte der Dreifaltigkeitskirche. Kaum eine Innenstadtkirche ist so reich an Kunstwerken wie das Gotteshaus am Obermarkt. Dazu zählen der barocke Hochaltar von Caspar Gottlob von Rodewitz, der auch einst den Altar für die Dorfkirche von Deutsch Ossig schuf, die nun als Nachbau in Königshufen steht, das historische Chorgestühl mit einer Chronik des Franziskanerklosters, die Barbarakapelle mit einem Marienaltar, selbst die Ausmalung von 1910.

Deswegen nutzt die Gemeinde die Dreifaltigkeitskirche auch zu ausgewählten Ereignissen im Kirchenjahr: die Osternacht wird hier traditionell gefeiert, Passionsandachten gehalten, aber auch Gottesdienste zum Tippelmarkt oder jüngst zum Schuljubiläum des Augustums gefeiert. Das soll auch so bleiben. Denn das Museum würde nach den momentanen Plänen nur das Mittelschiff nutzen, Chorraum und Barbarakapelle blieben in kirchlichem Gebrauch. Gerade diese Doppelnutzung erleichtert der Gemeinde, über das Museum nachzudenken.

Außerdem liegt die Dreifaltigkeitskirche aus Sicht von Bürgermeister Wieler ideal zwischen Kaisertrutz und Barockhaus Neißstraße 30 und könnte so die Görlitzer Museumsmeile erweitern und bereichern. Das sieht auch Bundestagsabgeordneter Michael Kretschmer. „Ein solches Museum bereichert unser Tourismusangebot. Endlich können wir den Touristen vertieft etwas über Böhme anbieten.“

In der Innenstadtgemeinde sind die Überlegungen auf fruchtbaren Boden gefallen. Der Gemeindekirchenrat, so erklärt Pfarrer Dr. Hans-Wilhelm Pietz, ist einmütig der Meinung, dieses Projekt weiter zu verfolgen. In der Vergangenheit, so heißt es in einem Aushang der Gemeinde, konnte „keine tragfähige Perspektive für die Sanierung und Nutzung“ der Dreifaltigkeitskirche gefunden werden. „So wäre die zukünftige Verbindung von Ausstellungsraum und Gottesdienstort eine ausgesprochen hilfreiche Lösung.“

Gehen alle Vorstellungen auf, so soll die Dauerausstellung ab 2019 in der Dreifaltigkeitskirche gezeigt werden. Das Gotteshaus müsste zuvor saniert werden: Dach, Fassaden, Innenraum. Auch dem eigenartigen Geruch müsste der Garaus bereitet werden. Das wird Millionen kosten, soll aber weder der Stadt noch der Kirchgemeinde auf die Füße fallen. Kretschmer gibt sich optimistisch, dafür Gelder vom Bund und vom Freistaat einwerben zu können. Pietz erklärt: „Wir können es nur alle miteinander schaffen.“ Und erinnert auch daran, dass bis 1920 die Stadt für die Kirchengebäude verantwortlich war. Erst mit der Trennung von Staat und Kirche ging die bauliche Verantwortung auf die Kirchgemeinde über. „Dem kulturellen Erbe müssen wir uns aber gemeinsam stellen“, sagt Pietz.