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Jede Sekunde zählt

Eine Person ist eingebrochen und unter die Eisdecke geraten. Jeder Handgriff der Retter von der Wasserwacht muss sitzen.

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© Dietmar Thomas

Von Andreas Neubrand

Roßwein. Das Freibad ist gut besucht an diesem Sonntag. Die Sonne scheint und das Wasser hat eine angenehme Temperatur von vier Grad über Null, auf dem Wasser hat sich eine spiegelglatte Eisschicht gebildet. Es gibt Bratwürste und heißen Tee. Ein perfekter Tag für die Eisrettungsübung im Freibad Wolfstal.

Robert Reinsberg bekommt viel Applaus. Als Einziger wagt er sich barfuß und ohne Kopfbedeckung unter die Eisdecke.
Robert Reinsberg bekommt viel Applaus. Als Einziger wagt er sich barfuß und ohne Kopfbedeckung unter die Eisdecke. © Dietmar Thomas
Viele Mutige folgen der Einladung zum Eisbaden nach der Übung. Allerdings geht es nur eine kleine Runde im Entenmarsch durchs Becken. Das eisfreie Loch ist zu klein.
Viele Mutige folgen der Einladung zum Eisbaden nach der Übung. Allerdings geht es nur eine kleine Runde im Entenmarsch durchs Becken. Das eisfreie Loch ist zu klein. © Dietmar Thomas

„Wir machen das öffentlich, seit bei unserer zweiten Übung neugierige Spaziergänger gefragt haben, was wir hier treiben“, erklärt Udo Rentsch, das mit 72 Jahren älteste Mitglied der Wasserwacht Döbeln des DRK-Kreisverbands Döbeln-Hainichen. Neben ihm drängen sich die Besucher und wärmen ihre Hände an einer Tasse Tee. In die Eisdecke wurde ein quadratisches Loch gesägt, vor dem nun Konrad Walther steht. Der Junge trägt einen Neoprenanzug und zittert leicht vor Kälte und Aufregung. Denn gleich soll er sich retten lassen. Um gerettet zu werden, muss er aber erst einmal in Gefahr geraten. Also setzt er sich an den Rand des Loches und gleitet langsam ins Wasser. Nur tauchen kann Konrad nicht, der Anzug verleiht ihm zuviel Auftrieb, als dass er nach dem Dummy tauchen könnte, den die Feuerwehr in dem Becken versenkt hat. Damit schlägt der erste Teil der Übung fehl: das Tauchen unter Eis. „Unter dem Eis zu tauchen, ist extrem schwierig. Es ist eine psychologische Barriere vorhanden, wenn der Taucher weiß, dass er nicht überall auftauchen kann. Viele werden dann panisch. Das muss abtrainiert werden“, sagt Liane Patzelt, die Cheftrainerin der Wasserwacht. Aber der zweite Teil der Übung klappt. Wild strampelt Konrad im Wasser und ruft um Hilfe. Es dauert nicht lange und zwei Helfer robben bäuchlings über das Eis und werfen ihm einen Schal zu, an dem er sich festhalten kann. Dann kriechen die Retter vorsichtig zurück, bemüht, den Schal nicht loszulassen und auch nicht selber ins kalte Nass gezogen zu werden. Stück für Stück ziehen die beiden den Jungen aus dem Wasser. Dann ist es endlich geschafft und die drei stehen auf sicherem Grund und Boden am Beckenrand. Jemand reicht Konrad ein Handtuch. Die Menge spendet Applaus.

Einer der Zuschauer ist Reiner Vogt, der mit seiner Freundin das Geschehen verfolgt. „Ich finde das unglaublich interessant“, erzählt er. „Und sehr lehrreich. Allein, dass ich keinem meine Hand reichen soll, sondern immer irgendeinen Gegenstand zwischen mir und dem zu Rettenden haben muss. Sonst zieht er mich am Ende noch mit ins Wasser.“ Zufällig habe er davon gehört und sei dann spontan vorbeigekommen. „Es ist schon mal interessant, zu sehen, wie die trainieren“, sagt Vogt. „Leider haben wir unsere Badesachen nicht dabei, sonst könnten wir nachher noch etwas Eisschwimmen. Naja, vielleicht im nächsten Jahr.“

Nachdem die Wasserwacht demonstriert hat, wie mit den unterschiedlichsten Gegenständen gerettet werden kann – von der Rettungsboje bis hin zum Jutebeutel – ist Eisbaden angesagt. Mutige Männer und Frauen stehen zähneklappernd am Rand des zweiten Schwimmbeckens und drehen im Entenmarsch eine Runde durch das Wasser. Für richtiges Schwimmen ist das Loch zu klein und der Andrang an mutigen Wasserratten zu groß. „Außerdem bleiben wir eh nur ein paar Minuten im Wasser. Vielleicht drei“, erklärt Riccardo Adam, der nur mit einer Badehose bekleidet im Freien steht. „Ich habe das seit zwanzig Jahren nicht mehr gemacht. Heute mach ich das, weil meine Kinder auch ins Wasser wollen.“ Dann streift er sich durch den Bart und steigt in das kühle Nass.