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Jetzt können alle Kopfball

Die frühere U-20-Weltmeisterin Marie-Louise Eta hebt in ihrer Heimatstadt Dresden das erste Fußball-Camp nur für Mädchen aus der Taufe. Ein Erlebnisbericht.

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© Robert Michael

Von Alexander Hiller

Der Rasen ist saftig grün, es nieselt ganz fein. Kleine quirlige Beine in quietschbunten Fußballschuhen stiefeln den dutzenden Bällen hinterher, die über die dichten Halme kullern. Ferienzeit ist auch Fußballcamp-Zeit. So weit, so gewöhnlich. Doch hier im Stadion an der Wurzener Straße ist alles ein bisschen anders. Und das liegt nicht am muffigen DDR-Charme, den der Eingangsbereich und der Sanitärtrakt im ehemaligen Rudi-Pinkert-Stadion förmlich ausatmen.

Hier heißen die Protagonisten nicht Justin, Kevin, Ole oder Emil – sondern Henriette, Emma, Wanda, Alexa, Luise oder Johanna. Es ist das erste Fußballcamp dieser Art in Dresden – exklusiv für Mädchen. Auf die Fußballerbeine gestellt wurde dieses Projekt von Marie-Louise Eta. Die 25-Jährige, die unter ihrem Mädchennamen Bagehorn vor sechs Jahren mit der deutschen U-20-Auswahl Weltmeisterin im eigenen Land wurde, kennt sich auf diesem Terrain bestens aus. Zum einen ist die blonde Kickerin in Dresden großgeworden – erst beim FV Laubegast, später beim 1. FFC Fortuna Rähnitz (heute Dresden). Zum anderen treibt die Champions-League-Siegerin von 2010 (mit Turbine Potsdam) bereits während ihrer Fußballerkarriere ihre Trainerausbildung voran.

Die Mittelfeld-Antreiberin vom Erstliga-Absteiger Werder Bremen coacht mit ihrem Mann Benjamin den Frauen-Verbandsligisten TuS Schwachhausen – ja, die heißen wirklich so – und die U-15-Mädchen von Werder Bremen. Außerdem erwirbt sie gerade bei einem dreiwöchigen Lehrgang des DFB die A-Trainer-Lizenz – Seite an Seite mit Dynamo-Idol Cristian Fiel.

Und, Frau Eta ist scheinbar ein Improvisations-Talent. Das machen die drei Camp-Tage deutlich. Denn Marie-Louise, von allen nur Loui genannt, muss auch mit eher untypischen Ansagen zurechtkommen. „Ich kann kein Kopfball“, sagt die kleine Luise gar nicht mal so schuldbewusst. Marie-Louise Eta erklärt die Koordinations-Übung dennoch weiter und fragt dann: „Du kannst keinen Kopfball? Glaube ich nicht“. Eta wirft Luise den Ball auf die hohe Stirn, Augen zu – fertig ist ein fast perfekter Mädchenkopfball. Die meisten kleinen Fußballerinnen verfeinern und vertiefen in Etas Camp ihre technischen und taktischen Kenntnisse und Fertigkeiten.

Hemmschwellen abbauen

Die frühere Nachwuchs-Nationalspielerin, die es von der U 15 bis zur U 23 auf 50 Länderspiele im deutschen Trikot gebracht hat, brennt für Fußball. Das spüren auch die Talente von sechs bis 16 Jahren. Eta, ganz Trainerin, kann deutlich werden, wenn mal geningelt oder gemotzt wird, benutzt aber meistens pfiffige, kreative Kommandos – 20 Mädchen hören bei dieser Premiere auf die gebürtige Dresdnerin. Obwohl die nur noch norddeutsch spricht.

„Ich will den Mädels mit diesem Angebot die Hemmungen nehmen“, erklärt Marie-Louise Eta. Sie hat ihr Camp auf den Erfahrungen aufgebaut, dass sich die meisten fußballinteressierten Mädchen nicht zu normalen Fußballcamps trauen, weil sie dort Hemmschwellen zwischen Jungs und Mädchen ausgemacht hat. Hemmschwellen gibt es bei ihr nur am ersten Tag. „Das dauert meistens ein, zwei Stunden, bis wir miteinander warmwerden. Wenn wir dann alle Namen draufhaben, gibt sich das von selbst“, sagt sie. Eta hat deshalb die Namen aller Teilnehmerinnen auf ein persönliches Trikot drucken lassen. Und auch sonst managt die Kickerin viele Dinge gleich selbst – oder mithilfe vom Kooperationspartner 1. FFC Fortuna Dresden. Das Mittagessen holt Marie-Louise Eta persönlich, am letzten Tag wird an der Wurzener Straße gegrillt. Nicht gerade eine typische Mahlzeit zwischen den Trainingsabläufen.

Aber so ein Camp soll ja auch Spaß machen. Und den, so hat es den Anschein, hatten alle Fußball-Mädels zur Genüge. Dazu gehört auch das Abschluss-Ritual. Die Ehrung der besten Camp-Teilnehmerinnen. In Dresden sind es vier. Nicht einmal unbedingt die besten Fußballerinnen. „Uns geht es auch darum, wer hat sich den anderen gegenüber vorbildlich verhalten, welche von den Großen bindet die Kleinen gut mit ein. Uns geht es um den Charakter, um das soziale Verhalten“, erklärt Eta.

Dass sich beim Abschied alle Camp-Novizinnen von ihr knuddeln lassen und Autogramme auf Beuteln, Schuhen, Trinkflaschen oder Handyverkleidungen abverlangen, zaubert Marie-Louise Eta jedes Mal ein Lächeln in das etwas müde wirkende Gesicht. Ihr „schreibt mir einfach, wenn ihr noch etwas wissen wollt“ – wirkt nicht aufgesetzt, sondern authentisch. Keine Frage, sie wird ihre Premierenkinder im Auge behalten. Vielleicht eins ganz besonders. Emma Sonnabend (12), Super-Talent vom FC Silesia Görlitz, spielt ab September für Turbine Potsdam. Dort gelang auch Marie-Louise Eta der internationale Durchbruch.