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Jubiläum am Kanzelturm

Vor 100 Jahren wagte sich zum ersten Mal ein Kletterer auf den Felsen im Bielatal. Heute tun es ihm viele gleich.

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© Mike Jäger

Von Mike Jäger

Sächsische Schweiz. Von der Kanzelsteinaussicht aus lassen sich prima Kletterer beobachten und bestaunen. So wie jetzt, wo sich gerade drei Frauen ins Gipfelbuch des Kanzelturms einschreiben. Der Turm steht unmittelbar vor der Aussicht, die wirklich wie eine Kanzel ins Bielatal ragt und einen vorzüglichen Blick hinunter zur Ottomühle bietet. Nach getaner Schreibarbeit ordnen die drei Kletterinnen die Seile zum Abstieg. Sie winken zur Aussicht herüber. Hier stehen die Seil- und Lebenspartner der Frauen mit ihren Töchtern auf dem Arm. Kurz zuvor hatten die Männer selbst den Kanzelturm bestiegen. Denn dafür gibt es einen historischen Anlass.

Lauter kecke Felsnadeln und beeindruckende Felssäulen stehen im Bielatal in der Sächsischen Schweiz. Der Kanzelturm ist ein besonders imponierendes Kletterziel. Viele Kletterrouten locken zu seinem Gipfel, aber vorwiegend die 35 Meter hohe „Südwand“, eine luftige, ausgesetzte Kletterei an festen Sandsteinstrukturen mit einem hohen Schwierigkeitsgrad, zieht die Felskletterer in den Bann.

Erstbegangen wurde die Wand vor einhundert Jahren von Emanuel Strubich mit seinem Seilgefährten Otto Jüngling am 11. Juni 1916. Der damals 29-jährige Strubich zählte zu den Besten seiner Zeit und war geachtet für seinen äußerst eleganten Kletterstil. Viele Strubich-Routen gehören zu den schönsten und anspruchsvollsten im Elbsandstein. Strubichs größte Tat war die Durchsteigung der „Westkante“ am Wilden Kopf in den Affensteinen – 1918 die allererste Route im Schwierigkeitsgrad VIIIa weltweit.

16 Kletterer stürmen den Gipfel

Im Bielatal am Kanzelturm versammeln sich am Jubiläumstag viele Bergsteiger. Schon um Mitternacht sind Kletterer mit Stirnlampen eingestiegen, um als Erste dem Turm, der Kletterroute und ihrem Erstbesteiger Emanuel Strubich Tribut zu zollen. Mit dabei sind natürlich auch Mitglieder vom Kletterklub „Kanzeltürmer“. Der Klub im Sächsischen Bergsteigerbund besteht seit 1911. Im Verein ist es Tradition, dass es Gipfel gibt, nach denen sich die Klubs benannt haben und die diese dann immer wieder aufsuchen und betreuen. Heiko Lehnert, Vorstand der „Kanzeltürmer“, und Frank Blumensaat sind mit ihren Familien hier. Für die „Kanzeltürmer“ ist es Ehrensache, am Jubiläumstag Strubichs Spuren nachzuvollziehen. Anschließend betreuen die Männer die Kinder und die Frauen können zum Gipfel steigen.

Das gemeinschaftliche Unterwegssein ist im Klub besonders wichtig. So ist auch der 82-jährige Götz Rodig mit von der Partie. Er ist „Kanzeltürmer“ seit 1949. Klettern kann er in seinem Alter nicht mehr, aber beim Südwandjubiläum ist er mit dabei und beobachtet die Kletterer von unten. Im Laufe des Tages bezwingen 16 Bergsteiger in Seilschaften über die „Südwand“ den Gipfel des Kanzelturms.

Zum Tagesabschluss kommen dann noch die Kinder auf ihre Kosten. Die Kletterfamilien steigen in Gemeinschaft noch einen schönen leichten Weg auf einen Gipfel im Bielatal.