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Jugendstrafe für brutalen Mord aus Langeweile

Im Herbst 2010 tötete er einen Frührentner in Dresden - ein Zufallsopfer. Schon lange vorher war das Gewaltverbrechen Teil der Fantasiewelt des Täters. Das Landgericht verurteilte den 20-Jährigen zu einer Jugendstrafe. Die Frage nach dem Warum bleibt.

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Grausam und eiskalt von der Fantasie in die Realität: Wegen Mordes an einem Frührentner in Tateinheit mit Raub hat das Dresdner Landgericht am Freitag einen 20-Jährigen zu einer Jugendstrafe von neun Jahren und fünf Monaten verurteilt. Die Jugendstrafkammer sah es als erwiesen an, dass er den 52-Jährigen im Herbst 2010 brutal, heimtückisch und aus niederen Beweggründen tötete und beraubte. „Ein so bestialisches Vorgehen habe ich in meiner Karriere noch nicht erlebt“, sagte die Vorsitzende Richterin Michaela Kessler und sprach von einer grausamen und kaltblütigen Tat. Das Geständnis des Angeklagten zum Prozessauftakt wurde strafmildernd gewertet.

Kindliches Vorgehen

Mit dem Urteil blieb die Kammer unter der Forderung der Staatsanwaltschaft nach 13 Jahren Freiheitsstrafe und nur knapp unter der im Jugendstrafrecht vorgesehenen Höchststrafe von zehn Jahren. Das Vorgehen spreche für eine naive und kindische Einstellung, begründete Kessler die Anwendung des Jugendstrafrechts. Die Verteidigung hatte wegen Totschlags eine Jugendstrafe von höchstens sechs Jahren gefordert. Sie will nun prüfen, ob sie Revision einlegt, sagte Rechtsanwalt Stefan Heinemann der dpa. Auch die Anklagebehörde hält sich die Revisionsmöglichkeit noch offen. „Wir prüfen erstmal“, sagte ein Sprecher. Damit ist das Urteil noch nicht rechtskräftig.

Der Angeklagte nahm den Richterspruch ohne sichtbare Regung auf, der 24-jährige Sohn des Opfers weinte. Sein kranker Vater war in der Nacht zum 30. September 2010 von dem Angeklagten brutal getötet worden. Der Täter war über die offene Balkontür in dessen Wohnung eingedrungen und hatte den arg- und wehrlosen Mann auf dem Sofa überraschend angegriffen. Das Opfer habe keine Chance gehabt, sagte Kessler. „Sie haben ihm 13 Mal sehr wuchtig und massiv auf den Kopf geschlagen.“ Im Laufe des Geschehens habe er dann mit Vorsatz getötet, als er dem Ohnmächtigen mit einem Messer die Kehle durchtrennte.

Danach sei er „eiskalt“ durch die Wohnung gestreift und habe alles Brauchbare gestohlen. „Er wollte in gleichem Maße töten und rauben.“ Der „untaugliche und sinnlose“ Versuch, die Leiche in den Kühlschrank zu packen, um Spuren zu verwischen, zeuge von kindischem Verhalten und der von Filmen bestimmten Gedankenwelt des Angeklagten. „Er ist unreif, bei ihm verschwimmen Realität und Fantasie, er hatte weder Partnerschaften noch Freunde, konnte sich nicht integrieren und seine Emotionen nicht beherrschen“, sagte die Richterin. „Er war ein Außenseiter.“

Ein destruktiver Held sein

Der Angeklagte habe sich zuvor in seiner Phantasie länger mit dem Gewaltverbrechen beschäftigt, wie in seinem Computer gefundene Dateien gezeigt hätten. Aus Langeweile sei er auf der Suche nach einer Gelegenheit für die Umsetzung in die Realität umhergefahren. „Er wollte ein Verbrechen begehen, um ein destruktiver Held zu werden.“ Es hätte jeden treffen können. „Das Opfer musste büßen, für Ihren Hass auf die Welt, dass Sie sich schlecht behandelt fühlten“, sagte Kessler zu dem jungenhaften Angeklagten. „Sie haben sich als Herr über Leben und Tod gefühlt, das ist eine Anmaßung ersten Ranges.“

Die nackte Leiche des Opfers war am nächsten Tag gefunden, der Täter aber erst drei Monate später gefasst worden. „Die Frage nach dem Warum für die grässliche Tat bleibt“, sagte Kessler. Der intelligente Gymnasiast habe beste Voraussetzungen gehabt, auch die schwierigen familiären Verhältnisse erklärten das Verbrechen nicht. Allerdings hätten wohl auch Probleme wegen seiner vietnamesischen Herkunft zu Isolation, Flucht in die eigene Gedankenwelt und Realitätsverlust geführt. „Es gibt keine gerechte Strafe aus der Sicht des Opfers“, sagte Nebenklägeranwalt Carsten Brunzel. „Das Urteil ist sachlich korrekt richtig, emotional aber schwer zu fassen.“ (dpa)