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Jurk im Alleingang – Affront gegen Tillich

Vize-Regierungschef Thomas Jurk (SPD) hat die Lösung durchgesetzt, ohne den Ministerpräsidenten detailliert zu infomieren.

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Von Annette Binninger

Dresden. Das Vergnügen des Ministerpräsidenten an der Bergparade in Annaberg-Buchholz dürfte sich gestern in Grenzen gehalten haben. Denn die große Schau war Stanislaw Tillich (CDU) da längst von seinem Stellvertreter, Wirtschaftsminister Thomas Jurk (SPD), gestohlen worden

Nahezu zeitgleich mit Beginn der Bergparade trat der Sozialdemokrat gestern Mittag im Dresdner Qimonda-Werk vor eine nur wenige Stunden zuvor hastig eingeladene Journalisten-Schar und präsentierte die Rettungslösung für den angeschlagenen Chiphersteller – ohne dass er seinen „Chef“ Tillich vorher darüber detailliert informiert hätte. Und so trat Jurk auch nicht mit einem heiter-gelösten Siegerlächeln, wie man es hätte erwarten können, vor die Kameras, sondern angespannt und mit bitterernster Miene. Der 46-Jährige wird bereits geahnt haben: Das gibt mal wieder dicke Luft in der ohnehin angespannten sächsischen Regierungskoalition von CDU und SPD. Denn Jurks weitgehender Alleingang in den Qimonda-Gesprächen kann Folgen haben. Dementsprechend verschnupft und knapp fiel denn am Nachmittag auch die Stellungnahme von Tillichs Sprecher Peter Zimmermann aus. „Aktuell positioniert sich die Staatskanzlei nicht zu Qimonda“, teilte er auf SZ-Anfrage mit. „Wir gucken uns das jetzt erstmal ganz genau an.“

Dabei zeichnete sich das unabgesprochene, ungewöhnliche Verhalten der rot-schwarzen Regierung für aufmerksame Beobachter bereits seit Tagen ab. Die Wege der seit Wochen parallel arbeitenden Unterhändler von SPD und CDU gingen spätestens seit Dienstag deutlich getrennte Wege. Auf SPD-Seite wuchs das Misstrauen, dass es die CDU-geführte Staatskanzlei am Ende mit der Rettung Qimondas doch nicht so ernst meint, wie nach außen kundgetan. Und so berieten Infineon- und Qimonda-Manager am Donnerstag mit Wirtschaftsstaatssekretär Hartmut Mangold (SPD) erneut über einen Ausweg und brachten dort erstmals die Portugal-Variante ins Spiel – doch Vertreter der Staatskanzlei blieben dem Vernehmen nach außen vor.

Offenbar bekam die Regierungszentrale auch nicht mit, dass bereits am Freitag zumindest eine mündliche Zusage aus Portugal vorlag, sich mit 100Millionen Euro am Rettungspaket zu beteiligen. Mit der überraschenden Pressekonferenz stellte Jurk dann gestern kurzerhand Tillich vor vollendete Tatsachen. Stimmt dieser der Lösung nun nicht zu, hätte Jurk alles auf eine Karte gesetzt – und verloren.