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Käse im Vorbeigehen

Frisch ab Hof – auch die Käserei Klinnert in Karsdorf schließt sich dem Trend an. Hier gibt es einen „Käseautomaten“.

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© Karl-Ludwig Oberthür

Von Annett Heyse

Karsdorf. Es war vor zwei Jahren, als Tom Klinnert mit seiner Familie im Allgäu Ferien machte und dort etwas sah, das die Lösung für ein Problem war, welches ihn seit Längerem umtrieb. Klinnert, der in Karsdorf eine Käserei betreibt und den bekannten „Harzer“ produziert, entdeckte an der Pforte eines Bauernhofes einen Kühlschrank. Frisch darin gestapelt lagen allerlei Lebensmittel, die der Bauer zum Verkauf anbot. Unter anderem auch Käse.

Nun hat Klinnert auch einen solchen Kühlschrank – direkt neben dem Hoftor seiner Käserei in der Heidestraße. Der 40-Jährige öffnet die Tür und greift zur Spezialität seines Hauses: „Karsdorfer Stangenkäse“, wahlweise mit und ohne Kümmel sowie in Öl eingelegt. Immer wieder hätten Kunden bei Klinnerts geklingelt, um den „Karsdorfer“ direkt beim Produzenten zu kaufen. „Aber wir müssen ja auch arbeiten und können nicht mehrmals am Tag alles stehen und liegen lassen, um ein paar Päckchen Käse zu verkaufen“, sagt der Käserei-Chef. Platz für einen Laden mit Verkaufstresen habe er aber auch nicht.

Die Selbstbedienung am Hoftor, sie liegt im Trend. Immer mehr kleine Produzenten, die Milch, Käse, Eier und Gemüse bisher an den Groß- und Einzelhandel abgaben, setzen als weiteres Standbein auf den Direktverkauf. Auch weil die Nachfrage da ist. So eröffnete in Freital-Somsdorf kürzlich eine Milchtankstelle, wo sich jeder die Milch selbst zapfen kann. Sie kommt frisch aus den Tanks gleich neben dem Stall. Auch in Helbigsdorf bei Wilsdruff gibt es seit diesem Frühjahr eine solche Zapfstelle, hier werden ebenfalls gegen Kasse des Vertrauens auch Eier und mehrere Sorten selbst gemachter Käse verkauft.

Dass Käse überhaupt noch in kleinen Höfen hergestellt wird, ist eine Seltenheit geworden. Die Klinnerts sind nach allem, was sie wissen, die letzte kleine familiengeführte Privatkäserei im Regierungsbezirk Dresden, deren Produkte es bis in die Supermarktregale schaffen. Dabei war Karsdorf vor mehr als 100 Jahren eine Käsehochburg. Viele der kleinen Handwerker, die hier lebten, verdienten sich nebenbei mit Landwirtschaft ein Zubrot. Eine Wiese mit Kühen und Schafen habe wohl fast jeder hinterm Haus gehabt, schätzt Klinnert. Also wurde Milch für den Eigenbedarf produziert und gebuttert. Übrig blieb die Sauermilch, die sich schon bald in Quark verwandelte – die Grundzutat für den Harzer.

„So ein Käse wurde überall in den Dörfern hergestellt“, sagt Klinnert. Allein in Karsdorf gab es wohl dreizehn Käsehersteller, davon vier größere Betriebe mit mehreren Angestellten und sogar Maschinen. Die Klinnertsche Käserei gehörte zunächst nicht dazu. Der Urgroßvater von Tom Klinnert kaufte 1898 den Hof an der Heidestraße und fuchste sich in die Käseherstellung ein, trotz der großen Konkurrenz im Ort. Doch mit den Jahrzehnten verschwanden die Karsdorfer Käseproduzenten, ab 1961 waren nur noch die Klinnerts übrig. Zu DDR-Zeiten stellten sie pro Woche vier bis fünf Tonnen Stangenkäse her.

Heute sind es noch etwa 1,5 Tonnen pro Woche. Zweites Standbein ist der Großhandel und Vertrieb von Milchprodukten. Nach der Wende waren das zunächst Schmelzkäse und Meerrettich, dann Butter und Schulmilch. Tom Klinnert, gelernter Einzelhändler, arbeitete damals in der Autobranche. Nach einem Zoff mit seinem Chef stieg er in den Betrieb des Vaters mit ein. Inzwischen führt er die Geschäfte. Käse gemacht wird jeden Montag. Klinnert führt über den Hof und öffnet die Tür zum Lager. In großen Kunststoffsäcken verpackt lagern dort etliche Zentner Quark. Er kommt von einer Molkerei aus Schleswig-Holstein. „Die machen eine gute Qualität, was wiederum für unseren Käse wichtig ist.“

Der Quark kommt in eine Rührwanne, hinzu kommen Wasser, sogenanntes Reifungssalz und Hefekulturen. Die Quarkmasse wird anschließend von der Wanne in einen Trichter befördert und dort zu den typischen Stangen geformt. Anschließend werden die Mini-Käselaiber auf Metallgitter abgelegt, wo sie bei rund 30Grad Lufttemperatur zwei Tage reifen. „Schon am Dienstagabend haben sie eine dunkelgelbe Farbe angenommen“, berichtet Tom Klinnert. Er hat natürlich auch darüber nachgedacht, andere Sorten zu produzieren, weg vom typischen Sauermilchkäse. Aber dazu brauche er Platz, den der Hof in Karsdorf nicht hergibt. „Zudem bin ich der Meinung: Lieber wenige Sachen gut machen, als ganz viel machen und sich dann zu verzetteln.“