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Politische Bildung oder Partei-Werbung?

Seit 2019 gibt es den Verein für politische Bildung in Kamenz. Er gibt sich politisch offen, doch die Nähe zur AfD ist offenkundig.

Von Heike Garten
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Stefan Reimann ist der Vorsitzende des Vereines zur Förderung politischer Bildung in Kamenz.
Stefan Reimann ist der Vorsitzende des Vereines zur Förderung politischer Bildung in Kamenz. © Matthias Schumann

Kamenz. Die Themen heißen „Der Erste Weltkrieg und seine Folgen“ oder „Was läuft schief im Bildungssystem?“. Seit 2019 lädt der Verein zur Förderung der politischen Bildung regelmäßig zu Vorträgen und Diskussionen in Kamenz ein. Nach außen gibt er sich politisch offen. Man wolle über aktuelle und historische Ereignisse debattieren, aber keinesfalls Parteipolitik betreiben, sagt Stefan Reimann, der Vorsitzende des Vereins.

Ein Blick auf Mitglieder und Referenten vermittelt allerdings ein anderes Bild. Denn der Verein ist vor allem mit einer Partei verbunden, der AfD. Der Vorsitzende selbst ist AfD-Stadtrat in Kamenz. Als Schatzmeister fungiert der Schriftsteller C. F. Schultze, vor seinem Ruhestand Jurist und jetzt AfD-Stadtrat in Pulsnitz.

Vereins-Chef Reimann bezeichnet sich als libertär. Seine Leitfrage laute: „Brauchen wir den Staat?“ Bevor er Mitglied der AfD wurde, war der Wirtschaftsprüfer in der CDU und in der FDP aktiv. Zum Thema Corona sagt er: Er gehe mit den vom Staat verordneten Maßnahmen nicht konform, sei aber kein Corona-Leugner.

AfD-Mitglieder traten als Referenten auf

Auch bei der Auswahl der Referenten ist eine Nähe zur AfD nicht zu übersehen. Als Redner traten auf oder waren angefragt zum Beispiel der AfD-Kreisrat Ralf-Peter Hechtberger und der AfD-Bundestagsabgeordnete Karsten Hilse. Als umweltpolitischer Sprecher seiner Partei im Bundestag stellt dieser den menschengemachten Klimawandel infrage und leugnet offen die Gefährlichkeit der Corona-Pandemie.

Zum Vortragsthema Erster Weltkrieg hatte der Verein laut seiner Internetseite Helmut Roewer zu Gast. Der ehemalige Thüringer Verfassungsschutzpräsident musste seinen Posten im Jahr 2000 räumen. Neben chaotischer Amtsführung wurde ihm unter anderem Versagen bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus vorgeworfen. Seitdem tritt er regelmäßig als Publizist und Vortragsredner in der rechten Szene auf. Zu Ursachen und Verlauf des Ersten Weltkriegs verbreitet er auf seiner Internetseite szene-typische Verschwörungstheorien.

Trotz der Ausrichtung des Vortragsprogramms sagt der Vereinsvorsitzende: „Wir sind kein Verein im politischen Umfeld der AfD, wir sind offen für andere politische Richtungen und für die offene Auseinandersetzung mit anderen Positionen.“ Oft gebe es unter den Vereinsmitgliedern kontroverse Debatten.

Ähnliche Vereine in anderen Bundesländern

Zu einer anderen Einschätzung kommt Thomas Platz, Mitarbeiter für Öffentlichkeitsarbeit bei der Landeszentrale für politische Bildung: „Die Besetzung des Vorstandes mit aktiven Parteimitgliedern der AfD deutet darauf hin, dass dieser Verein im politischen Umfeld der AfD angesiedelt ist.“ Dies passe ins Bild: Die AfD habe in den letzten Jahren an unterschiedlichen Orten und in verschiedenen Bundesländern ähnlich gelagerte Vereine und Stiftungen gegründet. Der Kamenzer Verein sei bisher allerdings nicht breit in Erscheinung getreten und der Landeszentrale daher auch nicht bekannt gewesen.

Unter guter politischer Bildung versteht Platz, dass auch von parteinahen Trägern eine geistige Offenheit für andere politische Richtungen und eine offene Auseinandersetzung mit anderen Positionen praktiziert werden. „Das unterscheidet politische Bildung von politischer Werbung.“ Darüber hinaus sollten die Ablehnung des Nationalsozialismus und der DDR-Diktatur sowie die Verankerung der demokratischen Grundordnung Grundlage jeder politischen Bildung sein.

Kamenzer OB für offene Diskussion

Der Kamenzer OB Roland Dantz (parteilos) wurde schon zu mehreren Veranstaltungen des Vereins eingeladen. Er schätzt den Verein als konservativ ein und betont, dass für ihn politische Bildung etwas anderes sei als politische Propaganda. „Was man braucht, ist Offenheit, eine gewisse Neugier und Abneigung gegen Vorurteile“, sagt Roland Dantz.

Im Übrigen finde er es völlig legitim, dass sich konservative und rechtskonservativ denkende Menschen austauschen. „Ich fand Vorträge und die Diskussionen durchaus interessant und finde es gut, wenn auch unterschiedliche Positionen diskutiert werden. So etwas gibt es hier im ländlichen Raum eher selten“, so Dantz.

Dass dem Kamenzer Verein eine gewisse AfD-Nähe anhafte, sei klar, so der Oberbürgermeister. „Andere Parteien haben ebenso ihre Stiftungen, die Bildungsangebote unterbreiten, deren Einladungen ich oft angenommen habe und annehme.“ Als Beispiel nennt er die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung oder die Friedrich-Ebert-Stiftung der SPD.

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