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Kaninchen zu Besuch im Altersheim

Nager, Ponys und Ziegen sollen bei Riesaer Senioren für Abwechslung sorgen – und nicht nur das.

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© Sebastian Schultz

Von Stefan Lehmann

Riesa. Zuerst überwiegt noch die Vorsicht. So sehr Elisabeth B. auch fasziniert scheint von dem Zwergkaninchen, streicheln möchte sie es nicht, sagt sie. „Haben Sie Angst?“, fragt Betreuungskraft Bettina Kolbe. Die Antwort ist ein kurzes „Ja“. Sachte nimmt Bettina Kolbe schließlich die Hand der Seniorin und führt sie vorsichtig über das Fell. „Schauen Sie, das macht nichts. Das hat doch mehr Angst vor Ihnen als Sie vor ihm.“ Nach ein paar Streichelbewegungen macht Elisabeth B. von allein weiter und schaut fasziniert auf das Tier.

Es wird nicht das einzige Mal an diesem Vormittag sein, dass die Mitarbeiter des Seniorenhauses Albert Schweitzer eine gewisse Skepsis abbauen müssen. Anfangs überwiege bei manchen Bewohnern noch eine gewisse Vorsicht gegenüber den Tieren, sagt Christine Mücklisch. Sie leitet die Sozialtherapie im Heim. Der Streichelzoo des Riesaer Tierparks gastiere regelmäßig in der Einrichtung, erklärt sie. „Die Zusammenarbeit gibt es bestimmt schon sechs, sieben Jahre und wir sind dem Tierpark sehr dankbar dafür.“ Immer im Juli und August gebe es dann Tiere zum Anfassen im Innenhof des Seniorenheims. Im Kern gehe es dabei um eine Bereicherung der verschiedenen Angebote des Hauses. „Wir wollen auch das normale Leben zu uns holen“, sagt Christine Mücklisch. Und da gehörten Tiere eben dazu. Im Seniorenheim gebe es auch Vögel, und eine Zeit lang habe man sogar eine Katze gehabt. „Wir hatten auch schon ein Alpaka als Besucher hier – das ist sogar im Fahrstuhl gefahren und hat Zimmerbesuche gemacht.“ Der tierische Besuch sei natürlich nicht nur für die Senioren interessant. „Nachmittags kommen auch die Kinder der Angehörigen dazu, um die Tiere zu streicheln.“

Die Tiere sind so viel Aufmerksamkeit gewohnt. Schließlich werden sie auch im Gehege des Tierparks mit Streicheleinheiten überschüttet. Nun sind es eben Senioren, die rund um das Metallgatter Platz genommen haben, die Ziegen und das Pony mit Kastanienblättern füttern, die Kaninchen streicheln, oder einfach nur beobachten. Als sich ein Zicklein auf die Hinterläufe stellt, um an einen ins Gatter hängenden Ast zu gelangen, wird es gleich mit Applaus belohnt. „Das ist richtiges Theater hier“, freut sich eine Bewohnerin.

Immer wieder bemerken Christine Mücklisch und ihre Kollegen, dass selbst eher verschlossene Bewohner geradezu aufblühen, wenn die Tiere da sind. „Viele Heimbewohner haben ja selbst Tiere gehabt. Das weckt Erinnerungen.“ So wie bei Elisabeth B., die beim Streicheln des Kaninchens unvermittelt davon erzählt, dass die Scheune ihrer Eltern einmal abgebrannt sei. Oder bei Helmut U. „Wir hatten selbst früher viele Kaninchen“, sagt er. Das sei eine schöne Zeit gewesen. Und als er erfährt, dass die Tiere aus dem Tierpark hergekommen sind, sagt er: „Jetzt leben wir hier im Heim, aber früher sind wir auch oft in den Tierpark gegangen. Dort am Stadtpark war’s immer schön.“

Solche und ähnliche Sätze hört Christine Mücklisch oft. Erst neulich habe ihr eine Kollegin von einer Frau erzählt, die erst seit Kurzem im Seniorenheim lebe. „Auf dem Rückweg von den Tieren auf ihr Zimmer hat sie so viel geredet, wie vorher noch nie.“ Für die Mitarbeiter des Seniorenheims kann das auch ein Hinweis sein, welche Angebote den Bewohnern besonders gut bekommen. „In den Wintermonaten kommt bei uns auch ein Therapiehund zum Einsatz“, erklärt Mücklisch. Dann gebe es richtig gestaltete Stunden durch den Hundetherapeuten. Mit dem Besuch des Streichelzoos sei das nicht zu vergleichen – schließlich haben so ein Therapiehund und sein Halter eine richtige Ausbildung. Wichtig sei bei allen Angeboten vor allem, dass sich die Bewohner wohl fühlen und glücklich sind, wenn sie die Tiere betrachten und streicheln können, sagt Christine Mücklisch.