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„Karat“ – das ist Erinnerung und Neuentdeckung

In Heidenau gab „Karat“ vor 36 Jahren das erste Konzert. Am Sonnabend spielten sie auf der großen Stadtfestbühne in Pirna.

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„Karat“ – das ist Erinnerung an die Lehrzeit, als ich eine Karte für ein Konzert gewann. „Karat“ heute ist es ein Frühsommerabend auf dem Pirnaer Markt.

Schon bei „Sie wollte Liebe“ singt eine Frauenclique mit. Karat, das war ihre Jugend. Wer an der Stadthaus-Seite versucht, einen Blick auf Karat von heute zu erhaschen, hat wenig Chancen. Bei „Ich hab‘ den Mond mit der Hand berührt“, berühren sich drängelnd viele Menschen. Auf der anderen Markt-Seite ist die „Retter“-Bühne für einige die Rettung. Eine junge Frau sagt: „Das ist Karat, die sind von gestern.“ Die Frau mit den schwarzen Locken und der Jeansjacke stört es nicht, sie tanzt auf der Retter-Bühne zu „Ich liebe jede Stunde.“ Ein Ehepaar in den mittleren Jahren steht eng umschlungen und wiegt sich zum „Schwanenkönig“. Am Nebeneingang genießen einige das Konzert von „schräg hinten“. Auf einer Kiste stehen neun Biere.

Dann kommt Claudius Dreilich die Treppe herunter. „Gucke, da isser“, sagt eine Frau. Dreilich – eine „Reinkarnation seines Vaters Herbert“, wie eine Frau sagt, trinkt mit dem Rücken zu den Leuten aus einer Thermosflasche Kaffee. Dann dreht er sich kurz um, greift nach dem Bier, prostet den Umstehenden zu und trinkt einen Schluck. Dreilich hat Pause, Drummer, Gitarrist, Cellist, Bassist und Keyboarder rocken auf der Bühne. Der Himmel ist dunkler geworden, die Stimmung von Lied zu Lied besser.

Ein Dreikäsehoch sitzt auf Papas Schulter, hat in der einen Hand eine Trinkflasche und schwingt die andere mit dem ausgestreckten Zeigefinger wie ein eingefleischter Fan. Mit „einen schönen Gruß von meinem Vater“ leitet Dreilich zu „Ich möchte wissen, wer meine Freunde sind“ über. Dem „Knie“ bei „Mich zwingt keiner in die Knie“ geben die Leute auf dem Pirnaer Markt ihre Stimme. Der Gitarrist wirft bei seinem Solo einen Schatten an eine Hauswand. „Unfassbar, was in den letzten Monaten auf dieser Welt passiert ist“, sagt Dreilich und die meisten wissen, jetzt kommt „Der blaue Planet“. Eine junge Frau sagt: „Das ist ein Lied, das ich kenne“ und singt mit.

Dreilich ist das erste Mal in Pirna. In Heidenau gab Karat am 22. Februar 1975 sein erstes Konzert. Von Dresden brauchte Dreilich am Sonnabend anderthalb Stunden bis Pirna . „Was ist denn bei Euch los?“ fragt er. Die Pirnaer kennen das Problem. Sie haben jetzt ein anderes. „Wo sind die Brücken“, fragt eine Frau. Das Lied, ohne das Karat undenkbar ist: „Über sieben Brücken musst du geh’n“. Die ersten Zeilen singen die Pirnaer allein, doch dann hapert es mit dem Text.

Die Biere auf der Kiste sind schal geworden. Doch Karat ist auch mit 36 Jahren frisch. Karat – noch immer Erinnerung und doch auch eine Neuentdeckung. (SZ/sab)