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Keine Strafe nach Handgemenge im Bistro

Im Streit um Geld soll ein Mann aus Bischofswerda eine Kellnerin verletzt haben. Dennoch wird das Verfahren gegen ihn eingestellt.

Von Theresa Hellwig
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Der Angeklagte soll eine Kellnerin verletzt haben. Weil der Mann bereits eine Haftstrafe verbüßt, wurde das Verfahren gegen ihn eingestellt.
Der Angeklagte soll eine Kellnerin verletzt haben. Weil der Mann bereits eine Haftstrafe verbüßt, wurde das Verfahren gegen ihn eingestellt. © SZ/Theresa Hellwig

Bautzen/Bischofswerda. War es Raub? Oder hat der Angeklagte nur vergessen, dass Selbstjustiz nicht erlaubt ist, und sich genommen, was ihm gehörte? Diese Frage hatte am Dienstag das Schöffengericht am Bautzener Amtsgericht zu klären. Dort musste sich ein Bischofswerdaer verantworten, dem vorgeworfen wurde, im August 2017 in der Bischofswerdaer Snackbar nach einem Streit um Geld eine Kellnerin angegriffen und verletzt zu haben.

Als der Mann einen Teil seines Geldes vermisste, vermutete er es im Besitz der Kellnerin. Er soll die Frau gegen einen geöffneten Kassenschub geschubst haben, um dann das Geld aus dem Kellnerportemonnaie zu nehmen. Der Angeklagte soll die Frau gegen einen Spielautomaten geschubst und sie gewürgt haben. Er soll sich das Portemonnaie der Frau gegriffen und 50 Euro herausgenommen haben.

Nahezu regungslos sitzt der breit gebaute Mann mit der Glatze und dem Bärtchen am Kinn am Dienstagvormittag im Gerichtssaal und hört sich die Verlesung der Anklage an. Er sitzt nicht zum ersten Mal auf der Anklagebank. An seinem Kiefer ist zu erkennen, wie aufgeregt er dennoch ist: Die Muskeln malmen und pulsieren unentwegt, seine Hände presst er auf dem Tisch ineinander.

Gegensätzliche Aussagen

Ja, der 44-Jährige sei damals in dem Bistro gewesen, bestätigt der Verteidiger. Er sei dort als Stammkunde ein- und ausgegangen. Deswegen sei es auch zu dem Streit um das Geld gekommen: Als der Angeklagte sein Bier mit einem 50-Euro-Schein bezahlte, habe die Kellnerin nicht genügend Wechselgeld gehabt. „Lass liegen“, habe er zu ihr gesagt. Sie habe das Geld dann hinter der Kasse für ihn zurückgelegt. Später sei es aber verschwunden gewesen. Gewürgt, so die Sicht des Angeklagten, habe er die Frau aber nicht. „Es war mein Geld“, betont er immer wieder.

Anders sieht das die Kellnerin, die vor Gericht als Zeugin aussagt. Er habe sie gegen die Wand gedrückt und gewürgt, sagt die zierliche Frau, ihre Stimme überschlägt sich fast. Sie habe dem Angeklagten kein Geld geschuldet. Er habe die 50 Euro einfach so genommen. Dann sei es zu dem Handgemenge gekommen. „Ich hätte in dem Moment nicht gedacht, dass ich das überleben würde“, sagt sie. „Hilf mir“, habe sie ihrem Kollegen zugeschrien – doch der habe nicht eingegriffen. Vor Gericht sagt dieser an diesem Tag nicht aus; er ist krankgeschrieben.

Zu einem Ergebnis kommt die Verhandlung auch ohne die Aussage noch an diesem Tag: Das Verfahren wird auf Antrag der Staatsanwaltschaft eingestellt. Der Angeklagte sitzt derzeit ohnehin noch hinter Gittern; verurteilt wurde er im Jahr 2017 wegen gefährlicher Körperverletzung. Den Tatvorwurf des Raubes hält das Gericht nicht weiter aufrecht. Vielmehr habe es sich um eine „Irrtumsproblematik“ gehandelt, befindet das Gericht. Denn der Mann habe gemerkt, dass die 50 Euro, die er aus dem Portemonnaie genommen hatte, zu viel gewesen seien – und den Rest der Summe wenige Tage später zurückgebracht. Das mache ein Dieb oder Räuber normalerweise nicht, begründet Richter Dirk Hertle. „Dennoch bleibt der Vorwurf der Körperverletzung und auch der Nötigung bestehen“, erklärt Hertle. „Sie dürfen sich das Geld nicht selber zurückholen; auch, wenn es Ihnen gehört“, sagt er. Er gibt dem Mann noch einen Hinweis mit auf den Weg: „Begeben Sie sich doch nächstes Mal auf die richtige Seite, rufen Sie doch im Zweifel auch einmal die Polizei an.“