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Kick mit Durchblick

Die 16-jährige Cora Braun ist deutsche Taekwondo-Meisterin – und darf nun zur EM. Ohne ihre Freundin hätte sie das nie geschafft.

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© Robert Michael

Von Alexander Hiller

Die junge Frau fällt auf. Nicht wegen ihres weißen Sportanzugs, der in der Fachsprache Dobok heißt. Cora Braun ist eine der wenigen Brillenträgerinnen in der Kontaktsportart Taekwondo. Die Sehhilfe hat die 16-jährige Dresdnerin nötig, aber dennoch offenbar den richtigen Durchblick.

Ihre Brille legt Cora Braun nur bei Eins-gegen-eins-Duellen im Wettkampf ab.
Ihre Brille legt Cora Braun nur bei Eins-gegen-eins-Duellen im Wettkampf ab. © Robert Michael

Cora Braun ist die einzige Athletin aus den neuen Bundesländern, die im deutschen Aufgebot für die Taekwondo-Europameisterschaft der Junioren und Aktiven vom 12. bis 15. April im slowenischen Maribor steht. Mit zwei überraschenden deutschen Meistertiteln bei den Juniorinnen im Spezialbruchtest und im Kampf machte die Sächsin auf sich aufmerksam und untermauerte ihre EM-Ambitionen schließlich bei einem Kaderlehrgang. „Ich hätte nicht damit gerechnet, eher mit einer Berufung im nächsten Jahr geliebäugelt. Die EM-Nominierung kam total überraschend“, sagt Cora Braun. Apropos äugeln. „Bei den Formen-Disziplinen und beim Bruchtest darf ich meine Brille auflassen, im Kampf muss ich sie abnehmen, weil wir dann auch Kopfschutz tragen. Ich nehme dann auch keine Kontaktlinsen, es reicht noch irgendwie. Aber es werden immer mal wieder Witze gerissen“, sagt Cora Braun und lacht ansteckend. „Ich sollte demnächst mal zum Augenarzt“, ergänzt sie ernst.

Cora und ihre gleichaltrige Teamkollegin Vanessa Mühlhans, deutsche Junioren-Vizemeisterin im Kraftbruchtest und EM-Reservistin, sind die derzeitigen Aushängeschilder eines Vereins, hinter dem man nicht unbedingt eine Taekwondo-Sparte vermutet: beim Seesportclub „Hart am Wind“. Die sogenannte Kumgang-Schule wurde bereits 1998 gegründet, schloss sich aber zehn Jahre später dem Seesportclub an und ist dort eine von drei Abteilungen. „Die beiden Mädels bringen ganz viel Pflichtbewusstsein, Ehrgeiz und Disziplin mit. Welches 16-jährige Mädel stellt sich schon freiwillig am Samstagfrüh hin, um das Kindertraining zu leiten“, sagt Trainerin Anke Habich.

Genau das tun Cora und Vanessa neben ihren zwei bis drei eigenen wöchentlichen Einheiten. „Ich mache das auch, um dem Verein etwas zurückzugeben. Und weil die Kleinen voll niedlich sind. Das ist irgendwie schön, die Kinder zu sehen, wie sie vor ihren Gürtelprüfungen aufgeregt sind – und man danebensteht und weiß: Ich habe denen das alles gezeigt“, sagt Cora Braun. Denn so hat sie selbst mal angefangen. Als Achtjährige – im Schlepptau einer Freundin. „Davor hatte ich noch nie etwas vom Taekwondo gehört“, gibt sie offen zu. Vorher war sie lediglich mal reiten. Klar, Mädchen und Pferde. Geblieben ist sie freilich beim Kampfsport, auch, weil da immer wieder neue Herausforderungen warteten: Weißer, gelber, grüner, blauer und roter Gürtel – besitzt Cora alle. Jetzt hat sie den 1. Dan als Schwarzgurtträgerin – die letzte Farb- und damit höchste Leistungsstufe.

Ihre Freundin und Vereinskollegin Vanessa Mühlhans ist ihr dabei eine unentbehrliche Begleiterin. „Das hilft mir extrem weiter. Es gab auch Zeiten, in denen ich absolut keine Lust auf den Sport hatte – wegen Schulstress oder anderen Problemchen. Wir treiben uns dann gegenseitig an. Von Vorteil ist, dass wir viel gemeinsam trainieren können, weil der Gürtelgrad übereinstimmt und die Gewichtsklasse fast“, erklärt sie. Kurzum: Ohne Vanessa Mühlhans stünde Cora Braun wohl nicht im EM-Kader. Ihre größten Stärken kann die Schülerin des Hülße-Gymnasiums wohl beim Spezialbruchtest ausspielen. Dabei kommt es auf die Sprungkraft an. Bei ihrem Meistertitel zertrümmerte sie ein Brett in zwei Meter Höhe mit dem Fuß. Das klingt für Untrainierte bereits bei der Vorstellung dieser Leistung nach Muskelkater – mindestens. „Springen kann ich ganz gut“, versichert sie. „Ausdauer habe ich gar nicht. Meine engsten Freunde wissen es schon, dass ich Taekwondo mache.“

Die Sportart ist zwar seit 2000 olympisch, allerdings nicht in der Variation, wie sie in der Kampfsportschule „Kumgang“ gelehrt wird. Cora Braun und ihre Mitstreiter sind unter dem Dach des Weltverbandes International Taekwondo Federation (ITF) und dessen nationalem Ableger organisiert. In der internationalen Kampfsportszene gibt es, ähnlich wie im Profiboxen, mehrere Taekwondo-Weltverbände. Vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) anerkannt wird nur die World Taekwondo Federation (WTF) – zu der die Deutsche Taekwondo Union (DTU) gehört. Der ITF führt eigene nationale und internationale Meisterschaften durch. „Bei uns kommt deshalb kaum Förderung an. Ich muss 25 Prozent der Gesamtkosten für die EM übernehmen“, sagt Cora Braun. Bei der Finanzspritze für ihre ersten internationalen Meisterschaften helfen Eltern und Großeltern. „Mein Aufgeregtheitspegel ist schon ganz hoch“, erklärt die 1,73 Meter große Kampfsportlerin.