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Kirche in der Platte

Eigentlich sollte die Wohnung nur eine Zwischenlösung sein. Nun wird seit zehn Jahren dort gepredigt. Und jetzt wurde sogar noch einmal renoviert.

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© Sebastian Schultz

Von Antje Steglich

Nünchritz. Martin Scheiter muss nur wenige Stufen in dem für Plattenbauten so typischen Treppenhaus hinaufsteigen. Von der Wand lacht der helle, mit vielen winzigen Farbpunkten versehene Farblack. Das weiße Treppengeländer mit dem Handlauf aus schwarzem Gummi zieht sich an den grauen Steinstufen vorbei nach oben, während der Pfarrer gleich auf die rechte Tür im Erdgeschoss zusteuert. Die Holzoptik ist dieselbe wie an den Türen nebenan. Nur an dem Segensspruch der Sternsinger ist zu erkennen, dass hier wohl gläubige Menschen ein und aus gehen. Tatsächlich ist hier sogar eine ganze Kirchgemeinde zu Hause.

In dem Plattenbau gegenüber dem Nünchritzer Schulzentrum ist die evangelische Kirchgemeinde seit zehn Jahren zu Hause. Pfarrer Scheiter fühlt sich hier sehr wohl, sagt er.
In dem Plattenbau gegenüber dem Nünchritzer Schulzentrum ist die evangelische Kirchgemeinde seit zehn Jahren zu Hause. Pfarrer Scheiter fühlt sich hier sehr wohl, sagt er. © Sebastian Schultz
In dem Plattenbau gegenüber dem Nünchritzer Schulzentrum ist die evangelische Kirchgemeinde seit zehn Jahren zu Hause. Pfarrer Scheiter fühlt sich hier sehr wohl, sagt er.
In dem Plattenbau gegenüber dem Nünchritzer Schulzentrum ist die evangelische Kirchgemeinde seit zehn Jahren zu Hause. Pfarrer Scheiter fühlt sich hier sehr wohl, sagt er. © Sebastian Schultz

Vor fast genau zehn Jahren hat sich die Kirchgemeinde Glaubitz, Nünchritz, Roda und Zschaiten in die Dreiraumwohnung der Wohnungsgesellschaft Nünchritz eingemietet. „Es war als Interimslösung gedacht, da hier eigentlich ein Gemeindehaus gebaut werden sollte“, erzählt Pfarrer Scheiter. Während selbst in den kleinsten Dörfern rings um Nünchritz meist eine Kirche steht, gibt und gab es in dem 3 000-Einwohner-Ort nie ein Gotteshaus. Da man aber vor allem den älteren Gemeindemitgliedern keine langen Wege zumuten wollte, wurde nach einer Lösung gesucht – und im Plattenbau gefunden. Und die wird nun wohl auch Bestand haben.

„Im Moment ist nicht absehbar, dass hier eine neue kirchliche Einrichtung entsteht“, so Martin Scheiter. Nicht nur wegen der Kosten, sondern auch, weil es an geeigneten Immobilien mangelt. Trotzdem sei man froh, hier zu sein, betont er. „Es ist und bleibt natürlich eine Wohnung, und es hat auch nach wie vor das Flair von , Kirche unterwegs’. Aber schließlich haben die Christen vor 2 000 Jahren auch damit angefangen, sich in Wohnungen zu treffen“, sagt Pfarrer Scheiter und bescheinigt der Nünchritzer Begegnungsstätte damit etwas Urchristliches. Und das werde auch sehr gut angenommen.

Die Nünchritzer Kirchenmitglieder – 850 zählt die gesamte Gemeinde zwischen Glaubitz und Roda – treffen sich hier zum Teekreis, zur Frühstücksrunde, zu Gesprächsabenden oder zum Frauenkreis. Im Wechsel mit der Kirche Zschaiten findet hier zudem alle zwei Wochen am Sonntag ein Gottesdienst statt. 15 bis 20 Besucher quetschten sich dann bisher immer in die ehemalige Wohnstube der Wohnung.

„Der Raum war dann voll“, erinnert sich Martin Scheiter. Selbst für das Klavier samt Kantorin fehlte der Platz, sie unterhielten die Besucher deshalb vom benachbarten Schlafzimmer aus. Mit Blick in die Zukunft und anlässlich des zehnten Jahrestages der Begegnungsstätte wollte man an der räumlichen Situation aber etwas ändern – in den vergangenen vier Wochen gaben sich in der Kirchen-Wohnung deshalb die Handwerker die Klinke in die Hand.

Als Erstes fiel die Wand zwischen Wohn- und Schlafstube – und Pfarrer Scheiter kann es selbst noch gar nicht recht glauben, wie groß der neue Kirchenraum geworden ist. Zufrieden klatscht er in die Hände, freut sich über den Schall und skizziert schon mal, wie der Raum künftig aussehen könnte. Der Altar soll neben das große Fenster, das bald schon bunt wie ein Kirchenfenster beklebt werden könnte.

Davor ist viel Platz für die Besucherstühle, und an der Wand zur schlauchförmigen Küche könnte künftig das Klavier stehen. Dass der Raum mit der weißen Raufasertapete und dem hellgrauen Linoleum noch kahl ist und relativ kühl wirkt, tut seiner Begeisterung keinen Abbruch. „Ich habe da vollstes Vertrauen in die Gemeinde, dass sie den Raum gestalten wird“, sagt er. Vielleicht werden hier künftig auch kleine Lesungen oder Konzerte angeboten, sinniert der Pfarrer zufrieden.

Die Begegnungsstätte auf der Glaubitzer Straße 20 wird am Sonntag, 28. August, 14 Uhr mit einem Gottesdienst wiedereröffnet. Ab 15.30 Uhr wird zum Regenbogenfest geladen: Das Motto lautet „In 80 Minuten um die Erde“.