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Kleiner Bahnhof ganz groß

Der Modelleisenbahnclub Roßwein hat am Wochenende in die Sporthalle in Döbeln zu einer großen Schau eingeladen.

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Von Jan Iven

Langsam rollt die gelbe SD-45-Diesellok aus den 1950er Jahren durch den Canyon. Neun Getreidewagen zieht sie über eine schmale Steinbrücke, die einen kleinen Fluss überquert. Vorbei an einer verlassenen Erzmine, an deren Eingang drei Männer Karten spielen, verschwindet der Zug schließlich in einem dunklen Tunnel in der braunen Felswand. Oberhalb der steilen Klippe schaut Sören Wolf vom Modelleisenbahnclub Milkau (MEC) auf die Modellanlage mit der Spurweite H0 hinab. Zum ersten Mal ist der Verein bei den Modellbahntagen des Modelleisenbahnclubs Roßwein mit dabei, die in diesem Jahr zum siebten Mal in der Döbelner Sporthalle stattfinden. Neugierig beäugen die zahlreichen Besucher am vergangenen Wochenende die Anlage der Milkauer, die doch so ganz anders aussieht als die üblichen Modellbahnen im Schwarzwald-Idyll .

„Als wir Mitte der 1990er Jahre unseren Verein neu gründeten, wollten wir mal etwas Neues ausprobieren“, erzählt Wolf. Nordamerikanische Züge ist damals noch kaum jemand gefahren, das sei noch eine richtige Nische gewesen. Wolf selbst war gerade von einer Reise durch den Westen Kanadas zurückgekommen und hatte dort seine Liebe für nordamerikanische Züge entdeckt. Auch wenn er selbst gar nicht mit der kanadischen Eisenbahn gefahren ist. „Die großen Güterzüge fahren dort mit über 100 Waggons, das ist schon sehr beeindruckend“, sagt der 46-jährige Döbelner.

Neben Canyons aus Gipsmasse und alten Minen wurden auf der Bahn der Milkauer auch die Namen von aktiven und ehemaligen Mitgliedern an Modellgebäuden der Amerikaanlage verewigt. So prangt auf dem Modell des Radiosenders „Mountain Radio“ ein Schild mit dem Namen Lutz Kirchhübel, dem inoffiziellen Vorsitzenden – denn der ist im richtigen Leben Funkamateur. Nach seiner Mutter ist das Restaurant „Luzies Dinner“ benannt, heizte sie doch früher die Räume des Vereins in Milkau mit einem Holzofen. Auch die Ahornsirupfabrik und die Rinderverladestation sind nach Vereinsmitgliedern benannt. Nur Wolf selbst hat noch kein eigenes Gebäude erhalten. „Da ich die Schilder herstelle, konnte ich das bisher vermeiden“, sagt er und lacht. Denn nicht selten entstünden die Ideen hierfür zu fortgeschrittenen Stunde in feuchtfröhlicher Runde.

Verein feiert 25-jähriges Bestehen

Die Nordamerika-Bahn gehört auch für Torsten Stein, den Vorsitzenden Modelleisenbahnclub Roßwein, zu den Highlights der Veranstaltung. „Wir feiern in diesem Jahr unser 25. Vereinsjubiläum und haben daher 13 Vereine eingeladen, so viele wie nie zuvor“, sagt Stein, der sich über die rund 1 600 Besucher freute, auch wenn es im vergangenen Jahr etwas mehr waren. Der Verein hat selbst die größte Modellanlage der Veranstaltung der Spurweite H0 in der Mitte der Turnhalle aufgebaut. Doch wie lang die ist, kann er selbst nicht sagen. „Das sind Fragen, die jedes Jahr gestellt werden, die aber vor allem Journalisten interessieren“, sagt der 45-Jährige augenzwinkernd. Zumindest konnte er auf eine Neuerung der Vereinsbahn verweisen: „Wir haben in diesem Jahr erstmals einen Anschluss an die Anlage des Chemnitzer Vereins geschaffen, so dass wir auch auf deren Anlage fahren können“, erzählt Torsten Stein.

Zufrieden ist der Vereinsvorsitzende mit den Mitgliederzahlen der Roßweiner. „Wir sind immer so um die 25, davon sieben Jugendliche.“ Gerade die würden sich für den Modellbau interessieren, wenn die Eltern Wert auf eine handwerkliche Grundausbildung legen. Zudem öffnet sich der Verein für neue Technik. „Inzwischen lassen sich die Züge und Weichen auch kabellos mit einem Smartphone oder Tablet-PC programmieren“, sagt Stein. Die Roßweiner steuern ihre Züge auch mit der Computer-Maus. Bei den jüngeren Mitgliedern kommt das gut an. „Das ist schon eine ziemliche Herausforderung, alle Weichen zu programmieren, aber es macht auch viel Spaß“, sagt der 22-jährige Andreas Brauner aus Frankenberg. Bei Fragen und Problemen mit dem Computer wenden sich die Jüngeren allerdings immer noch an den Vereinsvorsitzenden. „Schließlich bin ich Computertechniker, deswegen kenne ich mich damit aus“, sagt Stein.

Doch auch die ältere Generation ist bei den Roßweinern noch aktiv. Gunter Gloß ist 78 Jahre alt und hat für den Verein eine Straßenszene mit Kiosk, einer Straßenbahn und einem fahrenden Bus nachgebaut. „Es macht immer noch viel Spaß, zusammen mit den Mitgliedern Ideen zu entwickeln und umzusetzen“, sagt er. „Und der Spaß ist ja das wichtigste an der Sache.“

Der Vereinsvorsitzende Stein konzipiert zurzeit noch eine Nordeuropa-Bahn. „Doch schwedische Modellbahnen gibt es kaum, deswegen muss ich die mir selber umbauen und umlackieren“, erzählt er. Die Schweden selbst würden es nicht anders machen. „Die Skandinavier fahren aber auch viele deutsche Züge und mischen das mit ihren eigenen, da kennen die nichts“, sagt er.

Holzeisenbahn für Kinder

Bei den Modelltagen gibt es auch jenseits der Anlagen allerhand zu entdecken. Historische und moderne Bilder werden gezeigt. Jede Menge Eisenbahnzubehör und sonstiges Spielzeug wird zum Verkauf angeboten. An einem abgedunkelten Stand sind Polizei- und Feuerwehrmodellautos mit Blinklichtern zu bestaunen. Der Lok-Doktor Robert Wegner aus Dresden präsentiert eine elektrische betriebene Blecheisenbahn der Spur Eins aus den 1920er Jahren.

Und auch wenn an zahlreichen Modellanlagen Schilder darauf hinweisen, dass das Anfassen unerwünscht ist, so kommen doch auch die kleinen Besucher bei den Modelltagen auf ihre Kosten. Überall stehen kleine Kisten, von denen Kinder die Aussicht auf die Züge, Bahnhöfe und Berge genießen können. Einige Holz- und Plastikeisenbahn dürfen auch bespielt werden. Und in einer Bastelecke können die Jungen und Mädchen eigene kleine Modelle basteln, wenn sie genug von den Eisbahnen haben. So versucht etwa Max, ein Raumschiff zusammenzubauen. „Das ist aber nicht so leicht, weil die Teile so klein sind“, sagt der Siebenjährige, der selbst eigentlich ein großer Eisenbahnfan ist. Gerade erst zu Weihnachten hatte er seine erste Modelleisenbahn bekommen.

Die vielen Besucher schauen und staunen über die liebevoll gestalteten Modelleisenbahnanlagen. Über den Badespaß am Baggersee, über den Rettungseinsatz der Feuerwehr an einem brennenden Haus bis zur riesigen Rinderfarm stimmt bei den Modelle auch abseits der Bahnstrecken jedes noch so kleine Detail. Und immer wieder gibt es auch viel Lob für die Milkauer mit ihrer Amerika-Bahn. „Das ist wirklich mal etwas anderes, obwohl mir eigentlich die ganze Veranstaltung gut gefällt“, sagt Annett Künert aus Roßwein. „Die Leute stecken wirklich sehr viel Mühe und Fantasie in ihre Anlagen.“ Die 42-Jährige weiß, wovon sie spricht. Ist doch ihr Sohn beim Modelleisenbahnclub Roßwein aktiv.

Die Milkauer haben in den kommenden Jahren mit ihrer Amerika-Anlage auf jeden Fall noch so Einiges vor. „Wir haben mit der Filmkulisse für einen Western-Dreh begonnen und wollen vielleicht noch einen kleine Filmszene einbauen“, verrät Wolf. Auch eine kleine Stadt mit Industriebetrieben und Verladebahnhöfen ist an einer Kehrschlaufe, die bisher nur über eine nackte Holzplatte läuft, noch geplant. „Und vielleicht bekomme ich dann ja doch noch mein eigenes Modell mit meinem Namen drauf“, sagt Wolf und schmunzelt.