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Klettern an einer Raufasertapete

Adam Ondra und Chris Sharma steigen extreme Schwierigkeiten. Gemeinsam befreien sie Routen.

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© picture alliance / dpa

Ein durchdringender Freudenschrei hallt durch das Tal im katalanischen Oliana, als Adam Ondra sein Seil in den letzten Karabinerhaken hängt. Schmerzverzerrte Gesichtszüge weichen einem Lächeln. Der 20-jährige Tscheche hat nach neun intensiven Wochen mit seiner Erstbegehung die derzeit schwerste Kletterroute bezwungen. „Die ist so kompromisslos, du kannst nicht denken, nicht atmen in La Dura Dura“, beschreibt Ondra den Aufstieg.

Die Vertikale führt durch 40 Meter stark überhängenden Kalksteinfels, der in den Farben Gelb und Blau imposant die Landschaft der nordspanischen Region prägt. Hier schien die Erdanziehung 2013 in Gönnerlaune zu sein, denn der kalifornische Kletterstar Chris Sharma schaffte wenig später ebenfalls den von ihm einst als „nicht kletterbar“ bezeichneten Weg in die Höhe. Vor zwei Jahren war er es, der die Haken in die Wand bohrte und das Projekt eröffnete, dann jedoch an Schlüsselstellen wiederholt gescheitert war. Das Felsmassiv ist mit extremen Spezialitäten wie „Einfingerlöchern“ ausgestattet.

Wie elektrisiert hatte die Klettergemeinde im vergangenen Jahr auf das Vorhaben der beiden dominierenden Kletterer reagiert: Sie wollten ihre Kräfte bündeln, um die Route endlich zu „befreien“, wie sie es nennen. Im Team erarbeiteten sie sich jede Bewegung, belagerten ihr Langzeitprojekt. In vielen kraftraubenden Sequenzen näherten sie sich dem Ziel. Nuancen entscheiden über erfolgreiche Züge oder zermürbende Fehlversuche. Extrembergsteiger Reinhold Messner versuchte einst, das Spitzenniveau im Sportklettern anschaulich zu umschreiben: „Das ist wie Klettern an einer Raufasertapete.“

Sharma hat seit 16 Jahren immer wieder neue Maßstäbe gesetzt, sein halbes Leben lang. Der charismatische 32-Jährige durchstieg bereits als Teenager scheinbar mühelos Routen, an denen die damalige Weltspitze verzweifelte. Das einstige Wunderkind Ondra sorgt für die Wachablösung. „Ich habe das Gefühl, dass ich mein Limit noch nicht erreicht habe“, erklärte er 2011. Ein schmächtiger Schlacks, der sich nun regelmäßig die Lorbeeren schnappt. Die beiden werden auch künftig ihre eigenen Gesetze der Schwerkraft definieren. (sid)