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Krabat, Tagebau und schweigsame Leute

Im Auftrag der SZ fragten Journalisten Menschen in anderen Regionen Deutschlands, was ihnen zur Oberlausitz einfällt.

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© Rafael Sampedro

Von Jana Schulz-Preuss, Dieter Wacker und Frank Berno Timm

Heute beraten Oberlausitzer Touristiker in Löbau, wie sich die Region besser vermarkten kann. Als Ganzes, oder lieber jeder Landkreis für sich? Dieser Frage widmeten sich in den vergangenen Wochen mehrere Beiträge in der SZ. Einer der jüngsten Texte ging der Frage nach, wie Reisebüros in anderen Regionen Deutschlands für die Oberlausitz werben. Nun arbeiten bei Reiseveranstaltern Menschen, die sich schon von Berufs wegen für andere Gegenden interessieren und sich auskennen sollten. Welches Bild aber hat Otto Normalverbraucher im Norden, Westen und Süden Deutschlands von der Oberlausitz? Hat er überhaupt ein Bild? Dieser Frage gingen Journalisten aus anderen Gegenden im Auftrag der SZ nach.

Wenige wissen richtig gut Bescheid

Jeremy Winderlich, 16 Jahre, Schüler, Villingen-Schwenningen: „Aus der Schule weiß ich, dass die Oberlausitz über 750 000 Einwohner hat. Der höchste Punkt ist der Tafelstein im Isergebirge. Die Oberlausitz gehört zu Sachsen, Polen und Brandenburg.“ (Anmerkung der Redaktion: Die Oberlausitz hat aktuell etwa 565 000 Einwohner.)

Kathleen Rienäcker-Jenß, 44, Juristin, Dersekow bei Greifswald: „Spontan fallen mir ein: Sachsen, Bautzen, Zittauer Gebirge.“

Carmen Kluge-Postier, 44, Lehrerin, Biesenthal bei Berlin: „Tagebau, denaturierte Landschaften, gut gelaunte Menschen mit einer freundlichen Aussprache, Glasherstellung, Eishockey, Görlitz, die Stadt, in der Filme gedreht werden. Die Kulturinsel Einsiedel stellt wunderbare Spielgeräte her.“

Anja Yilmaz, 48, Angestellte, Berlin: „Wenn ich an Oberlausitz denke, kann ich Eis schmecken, es muss nicht das Gleichnamige des Fürsten sein. Ich denke an das wunderschöne Bad Muskau samt Schloss und wunderschönem Garten. An Görlitz und den Film ,Grand Budapest Hotel’. Und an ,Die schwarze Mühle’ von Jurij Brezan.“

Christiane Rose, 49, Redakteurin, Hamburg: „Die Gegend ist nahe bei Polen, ich erinnere mich an die slawische Minderheit.“

Thomas Breitling, 56, leit. Angestellter, Stuttgart: „Spontan fallen mir die Städte Görlitz und Bautzen ein. Beide sind sehr sehenswert. Dann Senf (Bautzen) und Filme (Görlitz). Die Region liegt im Dreiländereck Polen, Tschechien und Deutschland.“

Dieter Sirringhaus, 74, ehemaliger Stadtjugendpfleger, Puppenspieler und Zauberer, Villingen-Schwenningen: „Die Oberlausitz ist eine schöne Landschaft an der Grenze zu Polen. Dort gibt es einen tollen Freizeitpark, ganz auf Natur gemacht mit Baumhütten, alles aus Holz. Viel Wald gibt’s in der Oberlausitz, in der die Menschen sehr heimatverbunden sind.“

Die meisten unterscheiden nicht zwischen den Lausitzen

Nici Krüger, 39, Werbekauffrau, lebt bei Husum/Nordfriesland: „Ich denke an ein Konzert der Böhsen Onkelz, das ich in der Oberlausitz gehört habe.“ (Anmerkung der Redaktion: Besagtes Konzert fand auf dem Lausitzring statt.“

Alexander Oesterwitz, 45, Rechtsanwalt, Holzminden: „Zur Oberlausitz fällt mir ein, dass dort ein wunderschönes, idyllisches Städtchen Zittau liegt und viele stille schweigsame Leute von dort. Ich hatte manchmal das Gefühl, dass die Zeit dort stehen geblieben ist. Und natürlich der Spreewald als Naturparadies, wobei ich mir nicht sicher bin, ob der in der Oberlausitz liegt, aber in der Lausitz bestimmt.“

Arndt Peltner, 49, Journalist, Oakland (Kalifornien, USA): „Ich muss sagen, ich kann Ober- und Niederlausitz nicht unterscheiden, aber wenn ich Lausitz höre, denke ich an Otfried Preusslers wunderbares Buch ,Krabat’, das ich schon zig Male gelesen habe. Als ich dann zum ersten Mal in die Oberlausitz fuhr, um eine Freundin zu besuchen, verfuhr ich mich in der Dunkelheit gleich und endete im Kohletagebau. Und nun war ich schon mehrmals als Besucher dort und finde die Gegend wunderschön. In meiner Erinnerung war einer meiner schönsten Spaziergänge im Schlossgarten von Bad Muskau.“

Birgit Jourdan, 52, selbstständig, Maulbronn (Baden-Württemberg): „Spree, Spreewald, Spreewaldgurken, Neiße, Sorben und Wenden (aber nur deshalb, weil ich mich letztens mit diesen Volksstämmen befasst habe). Allerdings wäre ich jetzt bei der Abgrenzung zwischen Ober- und Niederlausitz überfragt – aber ich bin ja auch nicht aus der Ecke...“^

Matthias Reiner, 54, Marketingexperte, Villingen-Schwenningen: „Mir fällt zuerst Ottfried Preusslers ,Krabat’ ein – mein Lieblingsbuch. Bei der Lausitz handelt sich um eine strukturschwache Region. Wohl ein schönes Gebiet zum Motorradfahren. Dann noch Lausitzring, Cottbus, Spremberger Talsperre und Bergbau in Senftenberg.“

Jürgen Overhoff, 54, Autor und Theaterregisseur, Aschaffenburg: „Mir fallen da nur der Spreewald und die Ostküche ein.“

Birgit Starke, 55, Krankenschwester, Tuttlingen: „Lausitz sind für mich Bautzen, Sorben, Umgebindehäuser, die ungewöhnliche Sprache und das gute Essen.“

Irmi Beyer, 65, Rentnerin, Villingen-Schwenningen: „Spontan fällt mir zur Lausitz/Oberlausitz ein: die Sorben mit ihrer eigenen Sprache und ihrer Tracht, dann der Spreewald mit den traditionellen Kähnen auf eigenen Wasserstraßen und Spreewälder Gurken. Auch die Nähe zu Polen und Tschechien. Großes Braunkohlerevier.“

Ute Kiesewetter-Schultz, 75, Rentnerin, Weinheim: „Mit der Lausitz verbinde ich Spreewald, Leinöl, die kleine Universitätsstadt Senftenberg am Senftenbergsee mit kleinem Hafen. Der See, auf dem große Ausflugsboote fahren, liegt in einem früheren Braunkohleabbaugebiet und wurde geflutet. Die Landschaft ist teilweise Heidelandschaft. Die Städte Dresden und Berlin sind nicht weit entfernt.“

Viele haben kaum eine Vorstellung von der Region

Christine Barcelona, 40, selbstständig, Helsa bei Kassel: „Zur Oberlausitz fällt mir spontan nur ein, dass es im Osten liegt. Mehr weiß ich leider nicht darüber.“

Dorothea Wogenstein, 52, Krankenschwester, Hamburg: „Die Idylle ist ländlich, ein Kontrast zur Großstadt.“

Marinos Kaloglou, 53, Reiseredakteur, Bremen/Hude (Niedersachsen): „Die Oberlausitz liegt in Ostdeutschland. Da ich noch nie dort war, kann ich die Region spontan noch nicht mal auf der Landkarte finden. Muss aber wohl Sachsen sein.“

Peter Metzger, 54, Marketing- und Organisationsleiter, St. Georgen im Schwarzwald: „Also ich war noch nie bewusst in der Oberlausitz. Wir waren schon in Leipzig und Dresden. Hab einmal im Fernsehen einen Reisebericht angeschaut – sieht sehr ländlich und flach aus.“

Gerhard Gloda, 55, Montageleiter einer Behindertenwerkstatt, Villingen-Schwenningen: „Die Lausitz liegt in den neuen Bundesländern. Mehr fällt mir nicht ein.“

Barbara Walz, 56, Werbegrafikerin, Villingen-Schwenningen: „Die Oberlausitz ist mir mehr ein Begriff als nur Lausitz. Ich weiß allerdings nur, dass sie in den neuen Bundesländern liegt und wohl landschaftlich schön sein soll. Mehr fällt mir spontan nicht ein.“

Sabine Dudda, 59, Germanistin, Hamburg: „Oberlausitz? Da fällt mir nichts ein.“

Gerd Ahrendt, 63, Journalist, Meckenbeuren (Baden-Württemberg): „Spontan denke ich dabei an tiefstes Ostdeutschland. Ich kann die Region leider nicht verorten.“

Klaus Hässler, 70, Geschäftsführer einer Firma im Schwarzwald: „Ich habe zu dieser Region keinerlei Beziehungen oder Informationen. Ich weiß einzig, da ich Eishockeyfan bin, dass es die Lausitzer Füchse in Weißwasser gibt. Früher haben sie öfters mal gegen die Schwenninger Wild Wings gespielt. Mehr kann ich leider nicht sagen.“

Fazit von Dieter Wacker, Redaktion Südkurier, Konstanz

Oberlausitz ist für viele Menschen gar kein Begriff. Und wenn, dann ist die Trennlinie zur gesamten Region Lausitz nicht klar zu ziehen. Eine spontane kleine Umfrage, ausgehend von der Zittauer Partnerstadt Villingen-Schwenningen (Baden-Württemberg), zeigt ein eher differenziertes Bild, bringt aber auch einige Ernüchterung mit sich. Erstaunlich zum Beispiel, dass selbst in Villingen-Schwenningen keiner der Befragten beim Thema Oberlausitz die eigene Partnerstadt Zittau damit in Verbindung bringt. Die Umfrage ist natürlich alles andere als repräsentativ, aber eine Tendenz lässt sich aus ihr sicherlich herauslesen.

Fazit der SZ-Redaktion

Zwei Dinge fallen besonders auf. Erstens: Nur wenige der Befragten zogen bewusst eine Linie zwischen Ober- und Niederlausitz. Zweitens: Niemand sprach vom Landkreis Bautzen oder Görlitz, die meisten aber von Oberlausitz oder Lausitz – ein Argument mehr für die ganzheitliche Vermarktung der Region.