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Kraußnitzer Baumklau vor Gericht

Ein junger Mann aus Ortrand soll am Straßenrand Obstgehölze ausgegraben haben – der Fall gerät vor den Schranken der Justiz zur echten Provinzposse.

Von Manfred Müller
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Gerald Förster wurden im Sommer frisch gepflanzte Bäume gestohlen. Der Fall ist nun vor Gericht.
Gerald Förster wurden im Sommer frisch gepflanzte Bäume gestohlen. Der Fall ist nun vor Gericht. © Kristin Richter/Archiv

Kraußnitz. Gerald Förster staunte nicht schlecht, als er im Sommer die Nachricht erhielt, seine Apfel- und Pflaumenbäume seien verschwunden. Der Bauunternehmer ist ein Enthusiast, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, seine südbrandenburgische Heimatstadt Ortrand und die Umgebung mit Grün aufzuwerten. 

Sowohl auf seinen Grundstücken als auch an öffentlichen Straßen pflanzte er unermüdlich neue Bäumchen, Letzteres natürlich im Einvernehmen mit den zuständigen Kommunen. So auch an der Ortsverbindungsstraße zwischen Kraußnitz und Ponickau, die schon in Sachsen liegt – auf dem Territorium der Gemeinde Schönfeld. Deshalb wird der grenzüberschreitende Baumklau nun vor dem Amtsgericht Riesa verhandelt.

Was die Schadenshöhe betrifft, geht es um eine Bagatelle. Ausgegraben wurden zwei Apfelbäume und ein Pflaumenbaum, an anderer Stelle noch eine von Förster selbst gezogene Linde. Der Wert der vier Bäume liegt bei etwa 120 Euro. Aber Gerald Förster war so erbost über den frechen Diebstahl, dass er für Hinweise zur Ergreifung des Täters eine Belohnung von 500 Euro aussetzte. 

Und bald schon meldeten sich Zeugen, die gesehen haben wollen, wie das Diebesgut auf einem Wohngrundstück in Ortrand ausgeladen und später eingepflanzt wurde. Dort – kaum 400 Meter vom Tatort entfernt – steht ein Mehrfamilienhaus, und einer der darin wohnenden Mieter soll der Dieb sein. Nun sitzt der junge Mann in Riesa auf der Anklagebank. Aber er lehnt es ab, Angaben zur Sache zu machen. Der einzige Satz, den der 28-Jährige zu Protokoll gibt, lautet: „Ich war’s nicht.“

 Eine solche Aussageverweigerung ist das gute Recht eines jeden Beschuldigten. Er muss sich in einer Verhandlung nicht selbst belasten, und sein Schweigen darf ihm auch nicht zum Nachteil ausgelegt werden. Aber es zwingt das Gericht natürlich dazu, einen hohen Aufklärungsaufwand zu treiben. Und den hätte Richterin Ingeborg Schäfer angesichts der klaren Sachlage gern vermieden. 

Wäre es – so er die Bäume denn umgepflanzt habe – nicht angeraten, ein paar Scheine auf den Tisch zu legen, davon neue Setzlinge zu kaufen und Gerald Förster beim Einpflanzen zu helfen? Dann könnte das Gericht den Aktendeckel zuklappen und die Sache wäre ausgestanden. Aber Ingeborg Schäfers Appell verhallt. Ein Urteil kann sie aber nicht sprechen, denn der wichtigste Zeuge hat sich entschuldigt, weil er derzeit auf Montage ist. Er hat seine Beobachtungen lediglich per E-Mail übermittelt und steht nicht für Nachfragen zur Verfügung.

Deshalb muss das Gericht einen neuen Verhandlungstermin ansetzen. Es kann den Angeklagten ja nicht fragen, wo er die vier Bäume her hat und warum sie in Sorte und Größe genau jenen entsprechen, die in Kraußnitz verschwunden sind. Auch der Hinweis, dass die Zeugenbefragung bereits jetzt 700 Euro an Kosten verursacht hat und nun weitere nach sich ziehen wird, fruchtet nichts. 

Diese Kosten müsste der Angeklagte im Falle einer Verurteilung tragen, was sich in keiner vernünftigen Relation zu den 120 Euro Schadenshöhe befindet. Wirtschaftlich betrachtet, sei das der totale Wahnsinn, sagt die Richterin einigermaßen entnervt. Eine echte Dorfposse. Aber das dürfe die Justiz in einem Strafverfahren nicht interessieren.

Gerald Förster wiederum denkt darüber nach, den Beschuldigten im Falle einer Verurteilung zivilrechtlich auf Schadensersatz zu verklagen. Immerhin habe er mit dem Kauf, dem Pflanzen und dem regelmäßigen Gießen einen erheblichen Aufwand getrieben. 

Die vier Bäumchen mickern derweil in Ortrand vor sich hin und sind – von der Straße aus gut sichtbar – mittlerweile zum Stadtgespräch geworden. Ob es noch ein apfelkundliches Gutachten braucht, um den Baumklau eindeutig nachzuweisen, wird sich beim Verhandlungstermin am nächsten Freitag zeigen.