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Kriegsgrauen und Weltgeist-Ironie

Hoyerswerdaer Straßennamen - wer und was sich dahinter verbirgt – unsere Serie wirft ein Licht darauf. Heute Teil 9: Otto-Dix-Straße.

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Das ist, nein, WAR die Otto-Dix-Straße
Das ist, nein, WAR die Otto-Dix-Straße © Foto: Gernot Menzel

Geboren am 2. Dezember 1891 in Gera-Untermhaus als Spross einer Arbeiterfamilie, wurde seine früh erkannte malerisch-zeichnerische Neigung zunächst Brotberuf: Er lernt beim Geraer Dekorationsmaler Carl Senff – und der sagt seinem Lehrling, er möge doch besser die Finger von der Kunst lassen. Zu etwas bringen werde er es dort mit seiner Art keinesfalls. Ein halbes Jahrhundert später gilt der von Senff Entmutigte als einer der größten deutschen Maler des 20. Jahrhunderts.

Aber schon damals, 1909, griff der Weltgeist mit jener Ironie, derer er sich noch oft befleißigen sollte, in das Leben des werdenden Malers ein: Der Fürst von Reuß sorgt per Stipendium dafür, dass unser Mann studieren kann – an der Kunstgewerbeschule Dresden. Zunächst ist die deutsche Renaissance sein Thema, dann wendet er sich, dem Zeitgeist entsprechend, futuristischen Trends zu: Kubismus, Dadaismus.

Einem Zeitgeist ganz anderer Art folgt er 1914, als er sich als Kriegsfreiwilliger meldet, es bis zum Unterfeldwebel bringt und noch kurz vor Tores- (Kriegsschluss) eine Fliegerausbildung anstrebt. Ungeachtet dessen wird der Krieg, als Lehrmeister ex negativo, sein künstlerisches Werk prägen. Diese Kriegsbilder sind es, die die meisten heute mit seinem Namen verbinden. Dabei hat er auch viele Stücke im Stil seiner Renaissance-Periode hinterlassen – in summa sind rund 6 000 Arbeiten von ihm bekannt.

Aber daran ist noch nicht zu denken, als er 1919 in Dresden mit Conrad Felixmüller die „Gruppe 1919“ gründet, nach Stationen in Düsseldorf und Berlin schließlich 1927 von der Dresdener Kunstakademie zum Professor berufen wird. Ein Jahr zuvor, 1926, hat Arno Breker, später Hitlers Leibbildhauer, eine Porträtbüste unseres Mannes angefertigt. Die gefällt dem Adolf gar nicht. Wegen des Originals: Das wird 1933 aus dem Amt (der Professur) gejagt, seine Kunst als „entartet“ und „gemalte Wehrsabotage“ gebrandmarkt. Wirtschaftlich jedoch rettet ihn einer seiner größten Aufträge: Die Köstritzer Brauerei verlangt von (und bezahlt) ihm einen Christophorus, nach Art der alten Meister gemalt.

Auch die ihm bis zu seinem Tode († 25. Juli 1969 in Singen/ Hohentwiel) verbleibenden Nachkriegsjahre sind nicht frei von Ironie. Sich weder in der DDR noch in der BRD zu Hause fühlend; nicht menschlich, nicht künstlerisch, wird er von beiden Staaten hoch geehrt, wenngleich ihm der DDR-Nationalpreis verwehrt blieb. Immerhin erhält er 1959 das Bundesverdienstkreuz der BRD – zugleich mit dem wieder in Gnade gekommenen Schriftsteller Ernst Jünger, dem letzten Träger der Kriegsklasse des Pour le Mérite, dem seine „Stahlgewitter“ auf ewig anhängen, obgleich er sich längst anderen Themen zugewandt hat: Insektenkunde. Rauschmitteln. Dem europäischen Frieden („Der Friede“). Der Verweigerung einer vereinnahmenden Gesellschaft gegenüber („Der Waldgang“). Immerhin Letztere dürfte ihn mit unserem Mann verbunden haben, von dem dieses Zitat überliefert ist: „Ich mal‘ weder für die noch für die ... Ich bin eben ’n derartig souveräner Prolete, nicht wahr, dass ich sag: „Das mach ich! Da könnt ihr sagen, was ihr wollt ... Weil ich weiß, so ist das gewesen und nicht anders.“

Der dies 1963 sagte, war: Otto Dix.

Geehrt hat ihn die Stadt Hoyerswerda mit einer Straße im WK X. Dort war er in guter Gesellschaft. Im jüngsten und letzten Hoyerswerdaer Wohnkomplex, nordöstlich vom Grünewaldring, waren auch die Malerkollegen Dürer, Nagel und die Kollwitz verewigt (wie man meinte) worden, und eben, an der westlichsten Peripherie des Quartiers: Dix. Aber, nochmals Weltgeist-Ironie: ewig ist halt nur die Kunst. Der Ruhm, speziell der Nachruhm ist zweifelhaft und Menschenwerk nur all zu vergänglich. Die Häuser der Otto-Dix-Straße sind komplett zurückgebaut worden, wie es beschönigend heißt. „Abgerissen“, hätte Dix gesagt. „Weil ich weiß, so ist das gewesen und nicht anders.“,

Notiert von Uwe Jordan