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Warum ein Döbelner Rentner vor Gericht aus allen Wolken fällt

Einem 83-Jährigen ist im November 2022 ein Nachbar gegen das Auto gefahren. Was dem Senior danach passierte.

Von Dirk Westphal
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Ein Leben lang kam ein 83-jähriger Döbelner nicht mit dem Gesetz in Konflikt. Nachdem ein Nachbar gegen sein Auto gefahren war, stand er jetzt vor Gericht.
Ein Leben lang kam ein 83-jähriger Döbelner nicht mit dem Gesetz in Konflikt. Nachdem ein Nachbar gegen sein Auto gefahren war, stand er jetzt vor Gericht. © André Braun

Döbeln. Ein 83-jähriger Döbelner sitzt auf der Anklagebank des Amtsgerichtes Döbeln. Er versteht die Welt nicht mehr. Sein ganzes Leben geriet er nie mit dem Gesetz in Konflikt.

Und nun saß er Richterin Anne Mertens und der Staatsanwaltschaft gegenüber. Begleitet wurde er von seiner Frau, welche von Verteidiger Martin Göddenhenrich vorsorglich aus dem Gerichtssaal geschickt wurde. Sie kam unter Umständen als Zeugin infrage.

Der Senior hatte einen Strafbefehl wegen versuchten Betruges erhalten, gegen den er Widerspruch einlegte.

1873,61 Euro von Versicherung gefordert

Am 7. Juli 2023 soll er bei einem Kfz-Versicherer einen Kostenvoranschlag für die Reparatur seines Autos eingereicht und die Auszahlung von 1873,61 Euro gefordert haben.

Auf der Kalkulation sollen unter den Kosten für Stoßfänger, Montage und Demontage von Anbauteilen sowie Lackierung auch bekannte Vorschäden gewesen sein.

Laut Staatsanwaltschaft hatte ein Nachbar mit der Anhängerkupplung seines Transporters das vordere Kennzeichen eingedrückt und dadurch einen Schaden am Stoßfänger verursacht. „Versuchter Betrug“, lautete die Anklage gegen den 83-Jährigen.

Für seinen sichtlich aufgewühlten Mandanten übernahm Anwalt Martin Göddenhenrich die Ausführung zu dem, was passiert war. Es sei dahingestellt, in welcher Form das Unfallgeschehen am 20. November 2022 stattgefunden hatte.

Sein Mandant hätte sich in eine Döbelner Kfz-Werkstatt begeben, von der er eine Kalkulation zur Beseitigung der Unfallschäden bekam. Die Werkstatt hatte das Fahrzeug provisorisch fahrbereit gemacht und mit dem Rentner vereinbart, die Ermittlungen der Polizei abzuwarten.

Hat es am Pkw Vorschäden gegeben?

Die hätte die Unterlagen an den Versicherer übermittelt, der wiederum ein Dekra-Gutachten in Auftrag gab. Dieses attestierte Vorschäden am Pkw, die ohnehin hätten repariert werden müssen.

Was folgte, sei eine Anzeige gewesen, nachdem sich der Rentner im Juli entschlossen hatte, den Schaden bei der gegnerischen Versicherung einzureichen.

Durch die Eindellung sei die Stoßstange aus der Halterung gesprungen, die sich dadurch verbogen hatte. Aufgrund des Zustandes sei, laut Hersteller, ein Austausch nötig, so die Erklärung des Werkstattinhabers, führte Göddenhenrich an.

Eventuelle Vorschäden wären durch die Notreparatur entstanden. Es hätte nie echte Vorschäden am Auto gegeben und wenn etwas war, hätte das Rentnerehepaar die Werkstatt umgehend zur Reparatur aufgesucht.

Die Kalkulation war nach der längeren Zeit „ohne nachzudenken, zur Versicherung hingeschickt worden“. Eigentlich war das erst nach der Reparatur geplant.

Um die für den 83-Jährigen unglückliche Angelegenheit aus der Welt zu schaffen, regte Verteidiger Martin Göddenhenrich eine Einstellung des Verfahrens unter Auflagen an. Staatsanwaltschaft und Gericht konnten sich das ebenso vorstellen, zumal ein Nachweis ohne kostenintensives Gutachten nicht möglich schien.

Abstimmung über geplantes Strafmaß

Mit dem Vorschlag, 500 Euro für einen gemeinnützigen Zweck zu spenden, verließen Anwalt und Angeklagter den Gerichtssaal, um sich die Zustimmung der Ehefrau zur Lösung zu holen.

„Mit 2:1 Stimmen angenommen“, verkündete Martin Göddenhenrich mit einem verschmitzten Lächeln, erklärte aber nicht, wer wie gestimmt hatte.

„Wenn sie die 500 Euro gezahlt haben, ist das Verfahren aus der Welt“, erklärte die Vorsitzende Anne Mertens dem Rentner, der sich ziemlich sicher war, nicht noch einmal vor dem Gericht erscheinen zu müssen. Die Summe kommt dem THW in Döbeln zugute.