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Moria-Protestaktion im Sächsischen Landtag: Richter stellt Verfahren ein

Neun Demonstranten dringen 2020 in den Sächsischen Landtag ein. Die Polizei stellt sie noch vor Ort. Doch bei der Feststellung ihrer Identitäten gibt es Fehler.

Von Alexander Schneider
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Bei einer Protestaktion im Sächsischen Landtag wurden zwar alle Störer gestellt - doch bei der Feststellung ihrer Identitäten gab es Fehler.
Bei einer Protestaktion im Sächsischen Landtag wurden zwar alle Störer gestellt - doch bei der Feststellung ihrer Identitäten gab es Fehler. © Symbolfoto: kairospress

Dresden. Die Strafverfolgungsbehörden der Landeshauptstadt haben sich mit dem Verfahren viel Zeit gelassen, und wenn man das Ende kennt, wird auch klar, warum. Am 14.September 2020 sind neun meist junge Menschen als Besucher in den Landtag gegangen und haben dort im Foyer plötzlich Flugblätter flattern lassen, ein Spruchband entrollt und per Megafon eine Rede gehalten. Es ging um die Unterstützung Geflüchteter eines Massenlagers in Moria, auf der griechischen Insel Lesbos hatte es ein paar Tage zuvor einen verheerenden Brand gegeben.

Die Landtagsbediensteten waren zwar vor möglichen Störungen gewarnt worden, waren aber zunächst überfordert. Dennoch gelang es ihnen, die Türen zu verriegeln, sodass nicht noch mehr Demonstranten das Haus betreten konnten. Dann übernahm die Polizei und stellte die Personalien der vermummten und mit Sonnenbrillen und Perücken verkleideten Verdächtigen fest. Ihnen wurden Strafverfahren wegen Hausfriedensbruchs angekündigt.

Davon übrig geblieben sind jetzt, zweieinhalb Jahre später, lediglich Bußgelder in Höhe von jeweils 80 Euro – wegen "Verletzung der Hausordnung eines gesetzgeberischen Organs". Was es nicht alles gibt. Dass die Betroffenen ihre Knöllchen nicht akzeptieren würden, auch damit sollten die "Repressionsorgane" gerechnet haben. Und so wurde, was schon krumm angelegt war, zum völligen Desaster.

Die Angeschuldigte ist durchaus bekannt

Die Suppe auslöffeln mussten an diesem Mittwoch im Amtsgericht Dresden der für Ordnungswidrigkeiten aller Art zuständige Richter Jochen Meißner – und Catrin U., die wohl erste Angeschuldigte in dieser Angelegenheit, die ihr Knöllchen nicht akzeptiert. Die 57-jährige Neustädterin hat schon allerhand Verfahren im Zusammenhang mit Demos und Protestaktionen erlebt, oft war ihr eine Beteiligung nicht nachzuweisen wie beim Rathaussturm 2000 oder beim Verkauf von Flaschenbier aus ihrem Auto zu Neustädter Prohibitionszeiten im Jahr 2006. Die linke Aktivistin schwieg zu dem Vorwurf, auch das war nicht immer so.

Richter Meißner vernahm fünf Zeugen, Polizisten, Landtagsbedienstete, Wachpersonal. Dabei wird deutlich, dass die Störaktion für eine 61-jährige Bedienstete durchaus traumatisierend war, und Zuschauer sich dennoch über sie lustig machten. Doch noch bemerkenswerter als Zuschauer-Kommentare – eine Frau zeigte ein Blatt, auf dem "Die Hölle brennt" stand – sind die Mängel der Polizeiarbeit. Erst der letzte Zeuge, ein Kripo-Beamter, sagte, er habe die Personalien und Fotos der angeblich festgestellten Störer mit Videobildern aus und vor dem Landtag vergleichen müssen. Denn seine Kollegen hatten es am Tattag versäumt, die Gesichter der Festgestellten mit deren Ausweisen abzugleichen.

Ab da war der Fall für Richter Meißner erledigt, die Beweise reichten nicht, um von der Schuld der Betroffenen überzeugt zu sein. Er stellte das Verfahren gegen Catrin U. ein, auf Kosten der Staatskasse. Auch ein 28-jähriger Zuschauer, der den Richter zu Beginn frech gebeten hatte, seinen Fall gleich mitzuverhandeln, kann mit demselben Ergebnis rechnen. Das sagte der Richter ihm nach der Verhandlung.