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Messerattacke in Dresdner Innenstadt: Gericht verurteilt Mann wegen Totschlags zu 13 Jahren Haft

Ein 31-Jähriger erstach im Oktober 2022 seine gleichaltrige Ex-Partnerin in der St. Petersburger Straße in Dresden. Am Mittwoch ist das Urteil gegen ihn gefallen.

Von Alexander Schneider
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Igor P. ist am Mittwoch wegen Totschlags seiner früheren Lebensgefährtin in Dresden zu 13 Jahren Haft verurteilt worden.
Igor P. ist am Mittwoch wegen Totschlags seiner früheren Lebensgefährtin in Dresden zu 13 Jahren Haft verurteilt worden. © Rene Meinig (Archiv)

Dresden. Am 14. Oktober 2022 erstach Igor P. seine ehemalige Partnerin Anna D. erstochen. An jenem Tag verlor der eineinhalb Jahre alte Sohn der beiden nicht nur seine Mutter, sondern auch seinen Vater. Wie ernst dem jungen Mann der Kontakt zu seinem Kind war, ist nach dem dreimonatigen Prozess unklar, wie auch der gesamte Tatablauf. Zwei Stunden lang hat Richter Herbert Pröls, der Vorsitzende des Schwurgerichts am Landgericht Dresden, am Mittwochabend das Urteil seiner Kammer begründet.

Igor P. wurde wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von 13 Jahren verurteilt. Eine kleine Überraschung. Der Staatsanwalt hatte am Tag zuvor eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes gefordert und gut begründet – eine geplante, heimtückische Messerattacke an der Wohnungstür. Verteidigerin Linda Röttig hatte auf eine Freiheitsstrafe wegen Totschlags von maximal zehn Jahren plädiert – eine spontane Affekthandlung im Streit in der Wohnung. Das hatte P. bereits eingeräumt, aber keine näheren Angaben dazu gemacht. Was die Strafhöhe angeht, ist die Kammer etwa in der Mitte geblieben – geht jedoch von einem anderen Ablauf aus.

Pröls sprach von einer "ambivalenten Partnerschaft", einer "On-off-" und von einer "toxischen Beziehung" des Paares, das sich im Mai 2020 kennengelernt hatte. P. war damals Fahrdienstleiter bei der Bahn, hat später ein Studium als Kommunikationselektroniker begonnen, D. war Physiotherapeutin. Beide wurden in der Ukraine geboren und wuchsen in Dresden auf. Anna D. sei schnell, etwa im Juli 2020 schwanger gewesen.

Schon im September sei die erste Trennung erfolgt. Belegt sei, dass P. bereits im Dezember 2020 die schwangere Frau geschlagen habe, so Pröls. Es habe auch massive Beleidigungen gegeben. Der Richter beschrieb den Angeklagten als sehr dominant. Er habe versucht, die Frau zu manipulieren und zu kontrollieren. P. habe seiner Partnerin "wenig Spielraum gelassen".

Aus Angst lange keine Anzeige

Anna D. habe ihn lange nicht angezeigt, sie habe Angst gehabt, es werde nur noch schlimmer. Im Dezember 2021 habe P. die Frau sogar vor Zeugen geschlagen. Erst danach sei die 31-Jährige zur Polizei gegangen. Anlass für den Streit war Eifersucht, Anna D. habe mehrere Tage mit zwei Freundinnen nach Polen reisen wollen.

Auch nach der endgültigen Trennung Anfang 2022 sei es jedoch "ihre oberste Priorität gewesen", dass ihr Sohn nicht ohne seinen Vater aufwächst, sagte der Vorsitzende. D. sei in die St. Petersburger Straße gezogen, dem späteren Tatort. P. habe ihre neue Wohnung ausgekundschaftet. Als er wusste, wo sie wohnt, habe er nicht ins Haus gedurft, die Übergabe des Kindes sollte stets vor dem Haus erfolgen.

Es gab immer wieder Streit um den Umgang, auch um ein geplantes Wechselmodel. Das zeigte auch E-Mails der beiden, sagte Pröls. Es sei jedoch nie Anna D.s Absicht gewesen, das alleinige Sorgerecht zu haben. Im August 2022 wurde P. wegen der Schläge vom Dezember zuvor zu einer Geldstrafe verurteilt. Das muss ihn besonders getroffen haben, weil er sehr auf seine Außenwirkung bedacht sei. Zwei Monate habe er sich gar nicht mehr um seinen Sohn gekümmert.

Erst Schläge ins Gesicht, dann die Messerstiche

Die Kammer geht davon aus, dass der Angeklagte Anna D. die Schuld für seine Geldstrafe gab. Erst kurz vor der Tat habe er wieder Kontakt gesucht. An jenem 14. Oktober, einem Freitag, hatte er das Kind nachmittags von der Tagesmutter geholt, einige Stunden mit dem Jungen verbracht und abends zu Anna D. gebracht. Er sei zweimal an der Tür gewesen, wahrscheinlich weil Anna D. beim ersten Mal einkaufen war. Das legt jedenfalls eine Quittung nahe, die in ihrer Wohnung gefunden wurde.

Die Kammer glaubt, dass es in der Wohnung zu einem Streit kam, weil P. die Frau vor den Messerstichen geschlagen haben musste. Das belegten frische Spuren stumpfer Gewalt im Gesicht. Möglicherweise habe P. die Kontrolle verloren, weil er davon ausgehen musste, dass Anna D. ihn erneut anzeigen wird. Die 31-Jährige könnte den Angeklagten der Wohnung verwiesen haben, ehe P. tatsächlich zustach. Das würde die Blutspuren an der Tür erklären, die für die Staatsanwaltschaft einen heimtückischen und geplanten Anschlag belegten.

Das zweischneidige Messer, es wurde nie gefunden, habe P. dabeigehabt. Ein solches dolchartiges Messer habe sich nicht in der Wohnung befunden. Nach Überzeugung der Kammer habe er nicht geplant, die Frau zu töten.

P. selbst hatte die Tötung zwar über seine Verteidigerin eingeräumt, jedoch keine Angaben gemacht. Gegenüber einem psychiatrischen Sachverständigen habe er gesagt, er könne sich nicht erinnern.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.