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Großenhainer Mordkomplott: Ein Brief aus der Zelle

Im Prozess um die Entführung und Ermordung eines Mannes aus Großenhain stellt sich die Hauptangeklagte nun als Opfer dar.

Von Alexander Schneider
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Die Hauptangeklagte Stefanie W. behauptet, sie gezwungen worden zu helfen, ihren Mann zu töten.
Die Hauptangeklagte Stefanie W. behauptet, sie gezwungen worden zu helfen, ihren Mann zu töten. © Kristin Richter (Archiv)

Dresden. Auch ein Mordprozess, der sich seit Wochen eher mühsam dahin dehnt, sind Überraschungen nicht ausgeschlossen. Jetzt war es wieder soweit. Am vergangenen Dienstag erhielt die Schwurgerichtskammer am Landgericht Dresden einen Brief aus der Zelle. Die Hauptangeklagte behauptet darin grob, es sei doch alles anders, als es erscheint. Sie sei von einem der Mitangeklagten gezwungen worden, an der Tat mitzuwirken.

Es ist das erste Mal, dass sich die 32-jährige Stefanie W. überhaupt zu den Mordvorwürfen äußert. Bislang hatte die Mutter von sechs Kindern eisern geschwiegen. Die Frau soll hinter einem grausamen Mordkomplott stehen, dass sich im Juni 2020 in Großenhain und einem einige Kilometer entfernten Waldstück zugetragen haben soll. Laut Anklage der Staatsanwaltschaft wurde der 38-jährige Dirk W., Ehemann der Hauptbeschuldigten, am Abend des 13. Juni jenes Jahres, einem Sonnabend, von den Angeklagten zum Rahmenplatz gelockt und in ein Auto gezwungen.

Die Angeklagten sollen den Mann entführt und in dem Waldstück mit Tritten und Schlägen massiv verletzt und ihn dort sich selbst überlassen haben. Sie seien in den folgenden Tagen mehrfach zum Tatort zurückgekehrt, um weiter brutal auf ihn einzuwirken, weil er noch am Leben gewesen sei. Irgendwann, spätestens am Dienstag, 16. Juni, sei W. qualvoll gestorben. Als Motiv der Tat nennt die Anklage den Streit der Noch-Eheleute um den gemeinsamen Sohn sowie Sterbegeldversicherungen in Höhe von 17.000 Euro. Damit soll Stefanie W. ihre Komplizen motiviert haben.

„Angst um sich und ihren Verlobten“

Der Brief, drei eng beschriebene Seiten datiert vom 17. Juni 2021, also etwa einen Monat nach Prozessbeginn, wurde am Tag nach seinem Eingang in der Hauptverhandlung verlesen. Stefanie W. schrieb darin, sie habe das Auto fahren müssen. Sie sei von dem 29-jährigen Mitangeklagten Stefan B. gezwungen worden. Er habe sie mehrfach geschlagen und bedroht, schrieb sie. Weiter behauptete die Angeklagte, sie habe aus Angst um sich und ihren Verlobten mitgemacht, sei auch mehrfach zum Tatort gefahren. Im Grund heißt das: Sie ist mehr Opfer als Täterin.

Der „Verlobte“, das ist ein Mann aus Großenhain und angeblich der Vater von Stefanie W.s Zwillingen, die sie im Dezember 2020 in der Untersuchungshaft zur Welt gebracht hat. Mitte Juni war der Mann Zeuge in dem Mordprozess. Zuvor hatte Stefan B. ausgesagt, er liebe Stefanie W. und sei ab Ende Mai 2020 mit ihr zusammen gewesen. Mit dem bizarren Beziehungsgeflecht zwischen Noch-Ehemann Dirk W., dem neuem „Verlobten“ und dem angeblichen Liebhaber Stefan B. musste sich das Gericht schon mehrfach befassen.

Oliver Nießing, der Verteidiger von Stefanie W., versucht in der Endphase der Beweisaufnahme unter anderem auch, das Gutachten eines Insektenforschers zu erschüttern, der W.s Todeszeitpunkt zwischen Sonntag und Montagabend eingegrenzt hatte.

Am Montag, 24. Januar, könnten in der Verhandlung die Plädoyers beginnen.