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Junger Syrer bekommt vom Amtsgericht Döbeln eine allerletzte Chance

Der Familienvater ist vorm Amtsgericht Döbeln wegen Körperverletzung angeklagt. Warum das Urteil hätte anders ausfallen können.

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Vorm Amtsgericht Döbeln musste sich ein 24-jähriger Syrer wegen Körperverletzung in zwei Fällen verantworten. Diese hatte er in seiner Bewährungszeit begangen.
Vorm Amtsgericht Döbeln musste sich ein 24-jähriger Syrer wegen Körperverletzung in zwei Fällen verantworten. Diese hatte er in seiner Bewährungszeit begangen. © André Braun

Döbeln. Der 24-jährige Syrer macht einen reumütigen Eindruck, wie er auf der Anklagebank sitzt, zwischen seinem Anwalt und einem Dolmetscher.

Seine aus der Region Döbeln stammende Ehefrau und sein gut einjähriges Kind befinden sich im Zuschauerraum, zudem ein Begleiter.

Fast sympathisch wirkt der Chemnitzer in diesem Moment und auch, als er dem Gericht unter Vorsitz von Richterin Anne Mertens seine Sicht der Dinge erläutert, die ihm von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen werden.

Körperverletzung in zwei Fällen

Die unterstellt dem Angeklagten, am 25. August 2023 nach dem Besuch einer Trauerfeier eine Person mit der Faust und Fußtritten angegriffen und eine weitere Person, die dazwischenging, geschlagen zu haben.

Aus besonderem öffentlichen Interesse sah die Staatsanwaltschaft die Verfolgung von Amts wegen, aufgrund der Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen geboten.

Der Angeklagte bemühte sich, seine Aussagen zur Tat in Deutsch zu treffen. So erklärte er, dass einer der Geschädigten seine Frau zwei Wochen vorher, am Todestag seines Schwagers, „angegangen hätte“.

Es wäre wohl um eine Tätowierung an der Hand der jungen Frau gegangen. Er hätte das nicht ertragen. An so einem Tag würde man so etwas nicht tun, sagte der Angeklagte, der den Geschädigten nach der Trauerfeier vor einem Döbelner Bestattungshaus zur Rede stellen wollte.

Ärger beginnt nach Trauerfeier

Dort hätte er ihn geschubst und versucht, zu treten. Auch dessen Begleiter, der schlichtend eingreifen wollte, bekam etwas ab. Die ganze Geschichte wäre nach nicht einmal einer Minute vorbei gewesen, denn der Vater seiner Frau kam schlichtend hinzu.

Diese musste zwischenzeitlich das Gericht verlassen, weil sie sich bereiterklärt hatte, als Zeugin auszusagen. Allerdings machte sie später von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch.

Der Versuch, sich bei den geschädigten Deutschen zu entschuldigen, wäre dann fehlgeschlagen, so der Syrer. Diese hatten nicht auf die Kontaktaufnahme reagiert, sondern bereits im Anschluss an das Geschehen nach der Trauerfeier umgehend Strafanzeige bei der Polizei gestellt.

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In etwa ähnlich schilderten die jungen Männer aus Döbeln und Hartha das Geschehen auf dem Vorplatz des Bestattungshauses.

„Ich bin nach einer OP zwei Stunden vorher erst aus dem Krankenhaus entlassen worden, stand unter Medikamenten und hatte deshalb keine Schmerzen wegen des Schlages in die Rippengegend“, sagte der zur Hilfe geeilte Döbelner.

Der Harthaer trug dagegen ein Hämatom in der Armbeuge davon, dass je nach Zeugenaussage von einem intensiven Halten oder einem Fußtritt herrührte. Auch die Uhr des Geschädigten wäre bei der „Schubserei“ kaputtgegangen.

„Ich entschuldige mich, es tut mir leid“, versuchte der Angeklagte, mit dem Geschädigten zu kommunizieren, bevor dieser den Gerichtssaal verließ. Eine weitere Zeugin stützte die Aussage der beiden Geschädigten.

Lange Liste an Vergehen

Spürbar nervöser wurde der Angeklagte spätestens, als seine Einträge aus dem Bundeszentralregister vorgelesen wurden. In dem standen immerhin zwölf, beginnend von unerlaubter Einreise über Diebstahl, gefährlicher und versuchter Körperverletzung, Delikten gegen das Betäubungsmittelgesetz, Fahren ohne Führerschein oder auch verbotener Waffenbesitz.

Der letzte Eintrag stammte aus dem Jahr 2022 wegen vorsätzlicher Körperverletzung, die eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren nach sich zog.

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Die Staatsanwaltschaft sah die Tatvorwürfe vollumfänglich bestätigt, wertete die Einlassung des Angeklagten, das familiäre Umfeld und einen Minijob als Kellner positiv für den Bewährungsbrecher.

„Es ist eine allerletzte Chance“, so die Staatsanwaltschaft, die eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten, ausgesetzt zu vier Jahren Bewährung forderte. Die Verteidigung sah die Tat am unteren Rand und argumentierte ebenfalls für Bewährung.

„Ich weiß, es war nicht richtig, ich habe mich entschuldigt. Ich habe ein wunderschönes Kind. So etwas wird nicht noch einmal vorkommen“, so der Syrer in seinem Schlusswort.

Tatvorwürfe erwiesen

Richterin Anne Mertens sah die Tatvorwürfe ebenfalls als erwiesen an und verhängte eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten, ausgesetzt zu drei Jahren Bewährung, die Übernahme der Verfahrenskosten sowie die Ableistung von 80 sozialen Arbeitsstunden.

Mit ungläubiger Mine versuchte der Angeklagte nun, wegen der drei Jahre Bewährung mit der Vorsitzenden zu feilschen, da er Angst um seinen Aufenthaltstitel hätte.

Diese ließ sich verständlicherweise nicht auf die Diskussion ein und erklärte: „Das hätten Sie sich überlegen müssen, bevor sie in der Bewährungszeit wieder straffällig geworden sind.“ Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.