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Mann aus Hartha steht wegen Kinderpornos vor Gericht

Mit einem Gutachten musste die Schuldfähigkeit des Angeklagten festgestellt werden. Wie das Urteil ausgefallen ist.

Von Dirk Westphal
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Ein Harthaer hatte über 600 Dateien mit kinderpornografischen Inhalten auf Laptop, Handy und Datenträgern gespeichert. Jetzt wurde er dafür  verurteilt.
Ein Harthaer hatte über 600 Dateien mit kinderpornografischen Inhalten auf Laptop, Handy und Datenträgern gespeichert. Jetzt wurde er dafür verurteilt. ©   dpa (Symbolfoto)

Döbeln/Hartha. Er sitzt mit gesenktem Kopf auf der Anklagebank, starrt auf den Tisch vor sich, der 38-jährige Harthaer, der wegen des Besitzes von kinderpornografischen Inhalten angeklagt ist.

Bereits zum zweiten Mal muss er in Döbeln vor dem Gericht Platz nehmen (wir berichteten).

Der Prozess Anfang November war ausgesetzt worden, um mit einem Gutachten die Schuldfähigkeit des Angeklagten zu klären. Aus diesem Grund wurde der Fall vorm Schöffengericht unter Vorsitz von Richterin Christa Weik neu aufgerollt.

Täter mit geistiger Einschränkung

In der Anklageschrift verlas die Staatsanwaltschaft, was auf über 600 Datensätzen zu sehen ist, auf denen der Angeklagte Inhalte von abartigen sexuellen Praktiken und Gewalt an Kleinkindern, Kindern und Heranwachsenden bis ins Jugendalter gesammelt hatte.

Diese Fotos und Videos waren auf einem Laptop, einem Mobiltelefon sowie drei USB-Sticks gespeichert, die am 20. Juli 2022 im Rahmen einer Wohnungsdurchsuchung durch die Polizei konfisziert wurden. So lautete die Anklage: Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornografischer Inhalte.

Verteidigerin Peggy Wetzig ließ sich vor dem Schöffengericht für ihren Mandanten ein und erklärte, dass „er im Internet unterwegs war und nicht mehr genau weiß, woher er die Inhalte hat“.

Diese Aussage begründete die Rechtsanwältin damit, dass der seit 2008 unter Betreuung stehende 38-Jährige an einer geistigen Einschränkung leide und sich viele Sachen einfach nicht merken kann.

Die Verteidigerin sagte, dass ihr Mandant der Polizei und auch ihr erklärt hatte, dass er davon ausgegangen sei, dass es sich bei den Aufnahmen um Fake (Fälschungen Anm. d. Red.) handele.

Wenn er gewusst hätte, dass das echt sei, hätte er Abscheu empfunden, so die Einlassung des Harthaers, der mit dem Herunterladen der Bilder und Videos 2018/19 begonnen hatte. Allerdings könne er sich an Details nicht mehr erinnern.

Ein Referentenentwurf des Gesetzgebers beinhaltet, dass die Mindeststrafen für die Verbreitung, den Erwerb und den Besitz kinderpornografischer Inhalte angepasst werden, nachdem sie 2021 Verbrechen gleichgestellt wurden.

Aus diesem Grund stellte Rechtsanwältin Peggy Wetzig den Antrag, das Verfahren auszusetzen und an das Bundesverfassungsgericht weiterzureichen.

Aussetzung des Verfahrens wird abgelehnt

Dies lehnten Gericht und Staatsanwaltschaft ab, da aufgrund der geistigen Einschränkungen des Angeklagten ohnehin von einer Verschiebung des Strafrahmens nach unten auszugehen sei.

Für Erstaunen im Gerichtssaal sorgte, dass der Angeklagte sein eingezogenes Handy wiederbekommen hatte, während Laptop und Speichermedien als Asservate einbehalten und nun, mit Zustimmung des 38-Jährigen, vernichtet werden.

Das in Auftrag gegebene Gutachten bescheinigt dem Harthaer bei einem IQ von 63 eine weit unterdurchschnittliche Intelligenz beziehungsweise eine Intelligenzminderung.

Dies hätte Auswirkungen auf sein komplexes Handeln und die Steuerungsfähigkeit, früher beschrieben als Debilität. Anhalte für pädophile Neigungen seien schwer zu finden, außerdem sei ein Rückfallrisiko, laut Gutachten, gering.

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Die Staatsanwaltschaft sah die Vorwürfe gegen den Angeklagten als erwiesen an, wertete positiv die Geständigkeit des seit 2018 erkrankten Mannes, der vorher in einer Behindertenwerkstatt gearbeitet hatte.

Allerdings würde man über 600 Dateien nicht zufällig herunterladen, so die Anklagebehörde, die eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten, auszusetzen zur Bewährung, forderte.

Die Verteidigung sah den Sachverhalt bestätigt, forderte aufgrund einer eingeschränkten, beziehungsweise verminderten Schuldfähigkeit aber, den Angeklagten freizusprechen.

Letztendlich sah das Schöffengericht den Harthaer schuldig im Sinne der Anklage und verurteilte den 38-Jährigen, der bislang noch nicht straffällig in Erscheinung trat, zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, ausgesetzt zu zwei Jahren Bewährung.

Schuldfähigkeit nicht ausgeschlossen

Einerseits habe der Angeklagte die Inhalte nicht im Darknet, sondern im normalen Internet gefunden, andererseits allerdings sogar weitergeleitet.

Das schließe die Schuldunfähigkeit aus, so Richterin Christa Weik, da die Steuerungs- und Einsichtsfähigkeit durchaus gegeben sei.

Auch die Tatsache, dass sich die Inhalte zwar zahlenmäßig nicht in dem Bereich bewegen würden, mit dem sich das Gericht ansonsten oftmals zu beschäftigen hat, aber „echt heftig“ seien, gaben den Ausschlag für die Verurteilung.

Aus diesem Grund sah die Kammer keine Möglichkeit, die Freiheits- in eine Geldstrafe umzuwandeln. In Anbetracht der vom Verurteilten zu tragenden Verfahrens- und Gutachterkosten von über 10.000 Euro hätte dies aber ohnehin wenig Sinn ergeben.

„Wir gehen jedenfalls davon aus, dass er so etwas nicht wieder macht“, so Richterin Christa Weik. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.