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Prozess in Dresden: Autoräuber kommt mit Bewährungsstrafe davon

2021 stahl ein Dresdner ein Auto und fuhr dessen Besitzer fast über den Haufen. Bis zur Anklage verstrich viel Zeit - und weil der Mann diese nutzte, kam er glimpflich davon.

Von Alexander Schneider
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Urteil an nur einem Tag am Landgericht Dresden: Ein Autoräuber hat alle Vorwürfe eingeräumt und die Richter mit seinem Lebenswandel beeindruckt.
Urteil an nur einem Tag am Landgericht Dresden: Ein Autoräuber hat alle Vorwürfe eingeräumt und die Richter mit seinem Lebenswandel beeindruckt. © Symbolfoto: Rene Meinig

Dresden. Neun Vorstrafen, Hafterfahrung, Crystal – der Weg von Jan K. schien vorgezeichnet. Anfang Februar 2021, elf Tage nach seiner letzten Verurteilung zu einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung, ist der 42-jährige Dresdner wieder straffällig geworden. Er fand morgens auf dem Coswiger Rathausparkplatz den Schlüssel eines dort abgestellten A-Klasse-Mercedes.

K. stieg ein und fuhr los, als ihm plötzlich Heiko M. (60), der Besitzer des Autos, mit ausgebreiteten Armen und laut rufend entgegengelaufen kam. K. war nicht schnell auf der geschlossenen Schneedecke, stoppte aber nicht. Der 60-Jährige hielt sich an der Haube fest, dann sprang er darauf, um nicht unter die Räder zu kommen. K. wurde schneller, M. sprang nach einigen Metern ab und konnte nur noch zusehen, wie sein Auto im Schneegestöber verschwand.

Drei Wochen später wurde der Dieb bei einem Einbruch gestellt. Wie sich zeigte, hatte er bis da von einem anderen A-Klasse-Mercedes ein Kennzeichen gestohlen, war in eine Bäckerei in Ottendorf-Okrilla sowie ein Dresdner Fitnessstudio und eine Firma in Trachau eingebrochen, wo er Elektrogeräte und wenige Hundert Euro Bargeld erbeutet hatte. Bei seinem Vorleben gab es für den Bewährungsbrecher nur eine Entscheidung: Untersuchungshaft.

Ein halbes Jahr saß er da. Dann hob das Oberlandesgericht den Haftbefehl im Rahmen der Sechs-Monats-Prüfung auf, weil K.s Anklage für diese eher einfachen Taten noch nicht vorlag. Juristen nennen das einen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot – Haftsachen müssen schnell angeklagt werden. Nach K.s Entlassung war er kein zu beschleunigender Fall mehr. Und so vergingen zweieinhalb Jahre, ehe das Landgericht ihn zu seinem Prozess geladen hat.

Ein aufgeräumter Mann

Am Dienstag nun saß den Richtern ein aufgeräumter Mann gegenüber, der an der Seite seiner langjährigen Verteidigerin Ines Kilian alle Vorwürfe umfassend einräumte. Jan K. hat die Zeit optimal genutzt. Nach einem kurzen Drogen-Rückfall kurz nach der U-Haft, machte er einen Entzug nebst Langzeittherapie und Wiedereingliederungsmaßnahmen. Und er arbeitete.

Selbst ein schwerer Arbeitsunfall hat ihn nicht aus der Bahn geworfen. Der Mann zog nach Pirna, um auch sein gewohntes Umfeld hinter sich zu lassen, ist bis heute fest angestellt als Pflegehelfer in einer Einrichtung, wie er berichtete. Die Einschätzung seiner Bewährungshelferin bestätigte das: Sie attestierte ihm eine günstige Sozial- und Kriminalprognose.

Heiko M. berichtet, dass er gerade von der Physiotherapie gekommen war, als er sah, "wie mein Auto ausparkte und davonfuhr". Er habe gerufen: "Da klaut einer mein Auto!" M. bestätigte, dass der Dieb zunächst sehr langsam gefahren sei. Nach fünf Wochen hatte Heiko M. seinen Benz wieder.

"Sie haben sich das erarbeitet"

Das Gericht verurteilt den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und setzt sie zur Bewährung aus. Als Auflage muss er 1.000 Euro an die Opferhilfe zahlen. Eine Bewährung sei in solchen Fällen selten. Doch "Sie haben sich das erarbeitet", sagte der Vorsitzende Richter. Die nochmalige Bewährung sei, neben K.s beeindruckendem Wandel, auch eine Folge der langen Verfahrensdauer aufgrund der anhaltend unzureichenden personellen Situation.

Bei zeitnaher Verhandlung hätte der Angeklagte mit drei bis vier Jahren rechnen müssen, sagte der Vorsitzende Richter Jürgen Scheuring. Er erklärte bei dieser Gelegenheit auch, dass in Nachbarländern wie Tschechien oder Frankreich auch Freiheitsstrafen von deutlich mehr als zwei Jahren noch zur Bewährung ausgesetzt werden könnten. Das sei in Deutschland jedoch nicht der Fall.