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Krippens schönste Aussicht

Ein engagierter Männerclub kümmert sich um die Carolahöhe. Die Herren wollen den Blickwinkel aber noch für alle weiten.

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© Kristin Richter

Von Gunnar Klehm

Krippen. Das war nicht zu erwarten. Kaum zehn Minuten braucht ein gesunder Mensch vom Berghangweg in Krippen hinauf zur Carolahöhe. Dann präsentiert sich eine wunderbare Aussicht, zweifellos die schönste des Bad Schandauer Ortsteils Krippen. Flussabwärts reicht der Blick ins Elbtal bis zur Carolabrücke in Rathmannsdorf. Über die Dächer von Krippen hinweg schaut man auf der anderen Elbseite auf Bad Schandau, den historischen Personenaufzug nach Ostrau und die Fachwerkhäuser von Postelwitz. Dann versperren allerdings dicht belaubte Bäume die Sicht auf die Schrammsteine. Hier auch noch den Blick frei zu bekommen, das wird das nächste Projekt des Clubs der 38er. So nennt sich eine Gruppe Krippener, die sich teilweise schon aus der gemeinsamen Schulzeit kennen. Irgendwann stellten sie fest, dass es eine verbindende Zahl zwischen ihnen gibt – ihr Geburtsjahr 1938. So gaben sich die Herren im gesetzten Alter ihren Namen. Für eine Vereinsgründung sind sie noch zu wenige, dafür bräuchte man sieben Gründungsmitglieder. Das ist aber auch gar nicht das Ziel. Die Männer wollen etwas für den Ort bewegen. In welcher Organisationsform, ist ihnen eigentlich egal.

Sie haben dem Aussichtspunkt einen Sandstein mit Inschrift wiedergebracht: Walter Strohbach, Hans Müller, Harald Hering und Rudi Drescher.
Sie haben dem Aussichtspunkt einen Sandstein mit Inschrift wiedergebracht: Walter Strohbach, Hans Müller, Harald Hering und Rudi Drescher. © Kristin Richter

Auf dem Aussichtspunkt Carolahöhe beweisen sie eindrucksvoll, dass sie was bewegen können. Das gilt sogar im wahrsten Sinne. „Die Sandsteinplatte haben wir zusammen mit ein paar jungen Burschen den ganzen Weg hier hoch geschleppt“, sagt Walter Strohbach und zeigt auf einen auffällig gemaserten Sandstein mit Inschrift. „Den Spruch habe ich mir ausgedacht“, sagt Hans Müller, der wie Walter Strohbach dieses Jahr auch 78 Jahre alt wird. Die Sandsteinplatte hat der Männerclub von einem Steinmetz bearbeiten lassen. Alles zusammen hat das etwa 1 000 Euro gekostet.

Eine Sandsteinplatte gab es an dem Aussichtspunkt schon früher mal. Die wurde jedoch nach dem Zweiten Weltkrieg herausgehackt. Warum, ist nicht überliefert. Hans Müller mutmaßt, dass das an dem Symbol darauf gelegen haben könnte. Die russischen Besatzer sahen in dem Zeichen vermutlich verwerfliche Runen, zumal der Aussichtspunkt zwischenzeitlich vom NS-Regime in Horst-Wessel-Höhe umbenannt wurde. Nach 1945 wurde der Aussichtspunkt dann Friedenshöhe genannt. Der Name setzte sich aber nicht durch. Inzwischen heißt sie in allen Schriften wieder Carolahöhe, nach dem Namen der sächsischen Königin. Es gibt zwar alte Fotos, die eine Rekonstruktion des ursprünglichen Steins möglich gemacht hätten. „Wir wollten aber einen Spruch, der in die heutige Zeit passt“, sagt Rudi Drescher.

Wann genau die Aussicht gebaut wurde, ist nicht dokumentiert. Sicher ist jedoch, dass das noch im 19. Jahrhundert erfolgt sein muss. Um 1870 erbaute ein russischer Graf die Villa Carolahöhe, die heute noch existiert, unterhalb der Aussicht, die später mit Mauern verstärkt wurde, die wie Bastionen wirken. Zu sehen sind sie von unten hinter Häusern und Bäumen aber kaum. Was aus dem Grün hervorsticht, ist jedoch die blau-gelbe Fahne, die auch das Krippener Wappen zeigt – wenn genügend Wind weht. Die Fahne wird jedes Jahr am 1. Mai gehisst. Das lassen sich die 38er nicht nehmen. Zu ihnen gehört auch Werner Kirschner. Ihm gehört das Grundstück und der darunter liegende Hang. Dort wurden Bäume und Sträucher entfernt, damit die Aussicht nicht zuwuchert. Darum ist die Carolahöhe in Krippen auch konkurrenzlos schön, denn andere wie etwa die Bertelt-Aussicht oder der Kellerfelsen sind wegen fehlender Pflege zugewachsen.

Der zweite feste Termin auf der Carolahöhe ist Ende November. Dann kommt statt der Fahne ein stilisierter Christbaum an den Mast. Ansonsten treffen sich die 38er einmal im Monat an Orten, die leichter zu Fuß zu erreichen sind. Diesmal sitzen sie im Vereinshaus in Krippen. Neuerdings tragen sie einen neu kreierten Button am Revers. Darauf prangt die 38 und drunter steht „kaltschnäuzig, weitsichtig, butterweich“. Für die nächste Aktion gilt wohl weitsichtig. Im Herbst wollen die Männer Bäume fällen lassen, die die Sicht auf die Schrammsteine versperren. Die Zustimmung der Anlieger gäbe es bereits.