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Feuilleton

Der Barockbildhauer aus dem Erzgebirge

Paul Heermann steht zu Unrecht im Schatten von Balthasar Permoser. Eine Ausstellung und eine spektakuläre Erwerbung schreiben die Geschichte neu.

Von Birgit Grimm
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Blick in die Ausstellung "Triumph des sächsischen Barock. Der Bildhauer Paul Heermann" im Winckelmannforum der Dresdner Gemäldegalerie Alte Meister
Blick in die Ausstellung "Triumph des sächsischen Barock. Der Bildhauer Paul Heermann" im Winckelmannforum der Dresdner Gemäldegalerie Alte Meister © dpa

An Balthasar Permoser war kein Vorbeikommen. „Er war der Platzhirsch am Dresdner Hof und ließ diesen begabten jungen Mann nicht an den Futtertrog“, sagt Claudia Kryza-Gersch. Die Rede ist vom Barockbildhauer Paul Heermann, der 1673 in Weigmannsdorf im Erzgebirge geboren und in Dresden erst fünf Monate vor seinem Tod im Jahr 1732 Hofbildhauer Augusts des Starken wurde.

Heermann steht immer noch in Permosers Schatten. Dabei war er ein begnadeter Bildhauer und außerordentlich vielseitig. Er konnte gewissermaßen alles: Er schlug große, lebendig wirkende Figuren aus hartem Alabaster und weichem Sandstein, deren Gewänder um die Körper fließen, deren Muskeln spielen, deren Haut changiert. Heermann schnitzte auch filigrane Figürchen aus Holz und Elfenbein. Fleißig muss er gewesen sein. Spuren hinterließ er in Sachsen und Böhmen. Mit seinem Onkel George Heermann, bei dem er gelernt hatte, schuf er das Figurenprogramm an der Freitreppe des Schlosses Troja bei Prag. Fünf der 14 Skulpturen führte Paul aus. In Lommatzsch schuf er die Engel für den Altar der Stadtkirche St. Wenzel. Grabmäler und Gartenskulpturen entstanden. Doch viele seiner Arbeiten, die er für den Dresdner Zwinger und im Großen Garten schuf, sind leider längst zerstört.

Fünf Jahre Geduld

Die Skulptur "Saturn und Ops" schlug Paul Heermann nach 1715 aus weißem Marmor.
Die Skulptur "Saturn und Ops" schlug Paul Heermann nach 1715 aus weißem Marmor. © © Tomasso, UK | Skulpturensammlung, Staatliche Kunstsammlungen Dresden

Umso erfreulicher ist es, dass den Staatlichen Kunstsammlungen ein spektakulärer Ankauf gelang. Mit schier unendlicher Geduld holten die Museumsleute und die Geldgeber von der Kulturstiftung der Länder, der Ernst von Siemens Kunststiftung, der Rudolf-August-Oetker-Stiftung sowie den Freundeskreisen Raffaello e. V. und Pragone e. V. die Marmorskulptur „Saturn und Ops“ nach Dresden. In der Regel wollen Mäzene schnelle Ergebnisse sehen. Doch in diesem speziellen Fall waren sie es, die die Museumsleute ermunterten, nicht aufzugeben. Vor fünf Jahren entdeckten Museumsdirektor Stephan Koja und Kuratorin Claudia Kryza-Grescher auf der Kunstmesse TEFAF in Maastricht das römische Götterpaar, das in der antiken Mythologie als Regenten des fruchtbaren und glücklichen Goldenen Zeitalters galten. Saturn ist der Gott der Bauern und des Ackerbaus, Ops die Schutzgöttin der Neugeborenen. „Wir waren hin und weg angesichts der Qualität“, erinnert sich Stephan Koja. „Uns war klar: Die Skulptur muss nach Dresden, denn sie ist auch ein Sinnbild der glanzvollen augusteische Epoche in Sachsen“, ergänzt Claudia Kryza-Gersch. August der Starke hatte sich bei höfischen Festen gern als Saturn gezeigt und im September 1719 mit dem Saturnfest im Plauenschen Grund die Hochzeitsfeierlichkeiten seines Sohnes spektakulär ausklingen lassen.

Während sich die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) also bemühten, Geld für „Saturn und Ops“ aufzutreiben, kam 2018 überraschend Giambolognas Bronze „Mars“ von 1587 auf den Markt. Die 40 cm hohe Figur war mit der Fürstenabfindung 1924 an das Haus Wettin abgegeben worden. Für den Kauf der Statue, die über 300 Jahre zum ältesten Kernbestand der kurfürstlichen Kunstkammer gehört hatte, wurden Millionen gebraucht. Land, Bund und Stiftungen trugen das Geld zusammen und holten den „Mars“ nach Dresden zurück.„Saturn und Ops“ wurden derweil auf der Wunsch- und Warteliste der SKD geparkt und glücklicherweise 2018 und 2019 erneut auf der Messe in Maastricht angeboten. Dann kam Corona und damit unerwartet Zeit, das Geld doch noch aufzutreiben. Weil sie die 140 cm hohe Figur aus weißem Marmor seit 2017 nicht verkaufen konnten, senkten die Händler den ursprünglich angesetzten Preis. Letztendlich lag er „deutlich unter einer Million Euro“.

Detail der Skulptur "Saturn und Ops"
Detail der Skulptur "Saturn und Ops" © © Tomasso, UK | Skulpturensammlung, Staatliche Kunstsammlungen Dresden

Der bessere Goldene Reiter?

Präsentiert wird die Neuerwerbung nun in einer kleinen Ausstellung, die Paul Heermann erstmals fürs Publikum in den Fokus nimmt. Nun kann man nicht mehr übersehen, was August der Starke zu seinem Lebzeiten erkannt hatte: Heermann war Permoser ebenbürtig. Denn warum sonst durfte Heermann um 1718 die marmorne Porträtbüste von August dem Starken anfertigen? Zu sehen sind auch beschädigte Zwingerfiguren, zu sehen ist die „Ruhende Venus“ von 1710, sind die allegorischen Büsten „Herbst“ und Winter“, die Leipziger Putti, die miteinander raufen, sich gegenseitig züchtigen und dann doch herzhaft küssen in ihrem Kampf zwischen irdischer und himmlischer Liebe. Auch Heermanns Modell für den Goldenen Reiter ist ausgestellt, das er Anfang der 1720er-Jahre schuf. Claudia Kryza-Gersch meint: „Wenn Heermann den Goldenen Reiter ausgeführt hätte, wäre es das bessere Monument geworden.“ In Kupfer getrieben und feuervergoldet war dieses Monument, das am Neustädter Markt steht und als bekanntestes Denkmal Dresdens gilt, nach langer Debatte übrigens 1732 bis 1734 von Ludwig Wiedemann ausgeführt worden.

Dieses Modell zum Reiterstandbild für August den Starken schuf Paul Heermann Anfang der 1720er-Jahre.
Dieses Modell zum Reiterstandbild für August den Starken schuf Paul Heermann Anfang der 1720er-Jahre. © SZ/Archiv, Jürgen Lösel

Ausstellung „Triumph des sächsischen Barock: der Bildhauer Paul Heermann“ ist bis 16. April 2023 in der Dresdner Sempergalerie am Zwinger zu sehen. Geöffnet Di – So 10 – 18 Uhr, Heiligabend, 10 – 14 Uhr; Silvester 10 – 16 Uhr; Neujahr 12 – 18 Uhr. Katalog: Sandstein Verlag Dresden, 19, 80 Euro.