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Kummerkasten und Mädchen für alles

Jan Wüstenfeld betreut das deutsche Team in Oslo als Mannschaftsarzt. Zu den jüngsten Dopingfällen hat er eine klare Meinung.

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Von Daniel Klein

Nach dem Zieleinlauf ist er der erste Anlaufpunkt für die deutschen Biathleten. Während der WM-Rennen in Oslo steht Jan Wüstenfeld In der Umkleidezone, empfängt die Euphorischen oder Geknickten. Der 40-Jährige ist im Nebenjob eine Art Kummerkasten. Probleme, sich in die Sportler hineinzufühlen, die beim letzten Schießen die sicher geglaubte Medaille doch noch verpassen, hat er nicht. Wüstenfeld war selbst Biathlet, 1997 gewann der gebürtige Hannoveraner sein einziges Weltcuprennen. „Ich glaube schon, dass mir meine Vergangenheit hilft. Auch wenn sich die Sportart in den vergangenen 20 Jahren enorm entwickelt hat, sind die Abläufe doch unverändert geblieben“, erklärt er.

Eigentlich ist Wüstenfeld am Holmenkollen als deutscher Mannschaftsarzt im Einsatz. Seit der Saison 2009/10 wechselt er sich mit dem Olympiaarzt Bernd Wohlfahrt und Klaus Marquardt ab, in diesem Winter ist er lediglich bei drei Weltcup-Stationen und der WM Vorort. Was ein kleinen, süßen Grund hat: Anfang Februar wurde er zum dritten Mal Vater. „Der Kleine heißt Theo, unser dritter Junge.“ Seine Frau Katja, die mit Mädchennamen Beer hieß, war ebenfalls Biathletin, startete für den SSV Altenberg. Seit einigen Jahren ist sie als Co-Kommentatorin bei Eurosport unterwegs. Die Familie lebt in Leipzig, wo Wüstenfeld als ärztlicher Mitarbeiter am Institut für angewandte Trainingswissenschaften (IAT) arbeitet.

Viel zu tun hatte Wüstenfeld in Oslo bisher nicht. Lediglich Dreifach-Medaillengewinnerin Laura Dahlmeier reiste verspätet und mit einem Magen-Darm-Infekt an. „Da kann man schon etwas tun, um die Abheilung zu beschleunigen, damit sich die Athletin wieder schneller gut fühlt“, erklärt er. „Aber mein Anteil an den drei Medaillen ist trotzdem gering.“ Ansonsten ist er im Standby-Modus, führt viele Gespräche, hilft mal den Technikern, und bei gesundheitlichen Problem auch den Trainern, Offiziellen und Journalisten - ein Mädchen für alles quasi. „Ich habe den besten Job von allen, weil alle zufrieden sind, wenn ich nichts zu tun habe.“

Und dennoch trägt er auch viel Verantwortung, wenn er zu einem Medikament greift. Das wird in diesen Tagen, in denen ukrainische und russische Sportler reihenweise mit dem seit Jahresbeginn verbotenen Mittel Meldonium überführt werden, deutlich. Wüstenfelds Meinung dazu ist eindeutig: „Die jeweiligen Verbotslisten werden bereits Anfang September des Vorjahres veröffentlicht. Deshalb kann mir keiner erklären, dass die Betroffenen von nichts gewusst haben.“ Zudem fragt er sich, warum gesunde Sportler zu einem Herzmittel greifen, „nur weil es nicht verboten ist“. Auch sei es für Sportler sehr einfach zu überprüfen, ob ein Arzneimittel erlaubt oder unerlaubt ist. „Sie müssen auf der Internetseite der Antidoping-Agentur nur den Namen des Medikaments eingeben, und schon wissen sie es.“

Bei deutschen Biathleten hält er einen solchen Fall auch deshalb für unwahrscheinlich, weil „Medikamente nur durch uns Mannschaftsärzte oder nach Absprache mit uns verabreicht werden“. Nach dem Fall der zum Biathlon gewechselten Evi Sachenbacher-Stehle, die bei den Olympischen Spielen in Sotschi der Einnahme eines verunreinigten Nahrungsergänzungs-Mittel überführt worden war, wurden die Sportler nochmals geschult.

›› Dieser Beitrag ist Teil des Spezials „Kleins Kaliber“