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Kunst und Klage

Oberstaatsanwalt Wolfgang Schwürzer stellt seine Malerei vor. Die hat ihm ein hartes Selbststudium abverlangt.

Von Nadja Laske
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Einen wunderbaren Ausgleich zu seiner Arbeit als Jurist nennt Wolfgang Schwürzer seine wiederentdeckte künstlerische Ader.
Einen wunderbaren Ausgleich zu seiner Arbeit als Jurist nennt Wolfgang Schwürzer seine wiederentdeckte künstlerische Ader. © Sven Ellger

Das muss eine gelungene Premiere sein, die das Publikum gerade bejubelt. So strahlt die Semperoper von einem der Gemälde, die seit dem Wochenende im Dresdner Amtsgericht hängen. Die großformatige Arbeit ist eine von 40 Bildern und zeigt den Theaterbau in leuchtenden Gelbtönen vor dramatischem Himmel. Wolfgang Schwürzer hat die Farbe dick aufgetragen, beinah gespachtelt, so gibt sie der Fassade plastische Züge. Das zu können, hat ihn viel Mühe und Geduld gekostet. Schwürzer ist kein diplomierter Künstler, sondern examinierter Jurist.

Überwiegend Dresdner Motive greift Wolfgang Schwürzer in seinen Bildern auf. 
Überwiegend Dresdner Motive greift Wolfgang Schwürzer in seinen Bildern auf.  © Repro: Sven Ellger

Viele Jahre lang beschäftigte sich der Oberstaatsanwalt mit Korruption und Bandenkriminalität im ganz großen Maßstab, spürte Wirtschaftsdelinquenten auf und leitete die Ermittlungen gegen eines der größten illegalen Filmportale Deutschlands. Heute beaufsichtigt er die Staatsanwaltschaften und ist stellvertretender Generalstaatsanwalt. Tagsüber. Nachts sitzt er in der Küche seiner Wohnung und malt – Dresdner Motive, die Frauenkirche, das Blaue Wunder, den Zwinger, die Semperoper.

„Das ist ein wunderbarer Ausgleich zu meiner Arbeit“, sagt Wolfgang Schwürzer. Als Kind in der kleinen bayrischen Gemeinde Mindelstetten lernte er Klavier und spielte Kirchenorgel. „Ich habe damals schon gern gemalt, das Hobby aber aus den Augen verloren.“ Vor zehn Jahren entdeckte er es wieder. Weil Wolfgang Schwürzer nicht nur zum Zeitvertreib den Pinsel schwingen, sondern die Kunst auch wirklich können wollte, studierte er Theorien und Techniken via Bücher und Lernvideos.

Einen Impuls dazu hatte ihm ein Malwettbewerb gegeben, zu dem auf einem Elbhangfest aufgerufen worden war. Eigentlich richtete er sich an Kinder. „Aber ich habe trotzdem mitgemacht und hatte so viel Spaß dabei“, erzählt der 58-Jährige lachend. Dass Malerei kein Kinderspiel ist, wusste er. Doch wie sehr ihn das Selbststudium fordern würde, das überraschte ihn. „Ich habe einige versierte Bekannte, die mich bis heute beraten und begleiten, mir Tipps geben und schonungslos sagen, wenn etwas im Bild nicht stimmt.“ Die größte Kritikerin aber sei seine Frau. „Wie frustrierend ist das, wenn sie morgens in die Küche kommt und mit einem Blick auf die Leinwand sagt: Das ist ja nix!“

Auch alte Postkarten mit früheren Stadtansichten inspirieren den Juristen. 
Auch alte Postkarten mit früheren Stadtansichten inspirieren den Juristen.  © Repro: Sven Ellger

Wenn Wolfgang Schwürzer das erzählt, klingt es lustig, doch gelegentlich hat er hinschmeißen wollen. Dann jedoch regt sich die Malfreude wieder, ein neues Motiv fordert heraus und begeistert den Künstler in ihm. Der holt sich Inspiration aus der Stadt, in der er seit 27 Jahren lebt, und von alten Postkarten, die für ihn einen ganz besonderen Zauber haben. So schwankt der Betrachter der Bilder zwischen Aha-Effekt und Zweifel.

Er fragt sich, ob das Erkennen wirklich am richtigen Ort stattfindet. Wirken Straßen und Plätze der Vergangenheit doch vertraut und sehen zugleich anders als heute aus. Einige Anregungen hat sich Wolfgang Schwürzer aus Chemnitz geholt, wo er vier Jahre lang arbeitete. Und aus Italien, wohin ihn immer wieder Urlaubsreisen führen. „Anfangs habe ich abstrakt gemalt“, sagt er, „aber damit konnten viele Leute nichts anfangen.“ Die Begeisterung für bekannte Motive in Schwürzers ganz eigenen Auslegungen dagegen ist groß. Einige seiner Arbeiten teilt er inzwischen im Onlinedienst Instagram mit der Community. Via WhatsApp verschickt er Bilder an Freunde und bittet um Kritik.

„Am schwierigsten ist es, die verschiedenen Perspektiven richtig darzustellen und Farbtöne zu treffen.“ Blau verliere all zu schnell seine Leuchtkraft und erscheine einfach schmutzig. Auch Malpausen sind tückisch. Farblich dort anzusetzen, wo der Schlaf seinen Tribut gefordert hat, sei fast unmöglich. Deshalb arbeitet Wolfgang Schwürzer nicht selten wie es der Titel seiner Ausstellung verrät: „dresden blauschwarzrot bis spät der morgen tagt“.

Die Ausstellung im Rahmen des Projektes „Kunst & Justiz“ ist bis 16. April, montags bis donnerstags, 8–16 Uhr und freitags, 8–14 Uhr, im Amtsgericht Dresden, Roßbachstraße 6, zu sehen.