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Landrat: Flüchtlinge bleiben in der Lagerhalle

Etwa 500 Zeithainer wollten bei der Einwohnerversammlung am Freitag endlich Antworten. Die gefielen ihnen aber gar nicht.

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© Lutz Weidler

Von Antje Steglich

Zeithain. Die Flüchtlingsunterkunft An der Borntelle in Zeithain bleibt bestehen. Das sagte Landrat Arndt Steinbach (CDU) auf der Einwohnerversammlung am Freitag in Röderau. Damit erteilte er sowohl einem Brief von Zeithains Rathaus und Gemeinderat als auch einer Unterschriftenliste eine klare Absage.

Der Mietvertrag läuft genau wie der Vertrag mit dem Betreiber bis Ende 2016, und der Landkreis will diese Verträge erfüllen, sagte der Landrat. „Die Halle ist nicht sonderlich schön. Wir würden die Menschen lieber in Wohnungen unterbringen. Da klappt das Zusammenleben besser“, sagte er zwar den etwa 500 Zeithainern in der Mehrzweckhalle. Aber selbst zu einem Bekenntnis, die ehemalige Elektrohalle definitiv Ende des Jahres zu schließen, ließ er sich nicht hinreißen: „Wenn es eine alternative Unterbringung gibt und weniger Flüchtlinge kommen, kann ich das zwar in Aussicht stellen. Versprechen kann ich das aber nicht.“ Dabei sorgt gerade diese Lagerhalle für Ärger, die Platz für bis zu 350 Flüchtlinge bietet und dem Landkreis als eine Art Notunterkunft und Verteilzentrum dient.

Für die Anwohner ist die Situation unerträglich

133 Männer unter anderem aus Afghanistan, Indien, Libyen, Syrien, Pakistan oder der Türkei leben zurzeit dort, sagte der Landrat. Zeithains Bürgermeister Ralf Hänsel (parteilos) sprach von aktuell 169 Männern und von permanenten Problemen in der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Ganz konkret gab es in dem Ort in den vergangenen zwei Monaten 38 Polizeieinsätze, erklärte Riesas Revierleiter Hermann Braunger. Dreiviertel der Taten der Asylbewerber, meist Körperverletzungen, richteten sich in oder nahe der Lagerhalle gegen Flüchtlinge. Zudem kam es zum Beispiel zu Beleidigungen etwa gegen die Security in der Unterkunft oder zu Diebstählen.

Für die Anwohner ist die Situation unerträglich. Der Unternehmer Heiko Scheibner sprach von ständigen Einsätzen von Polizei und Krankenwagen und einer „unmöglichen Berichterstattung, die aus uns ein Nazi-Dorf gemacht hat.“ In dem 2 000-Einwohner-Dorf haben er und andere deshalb 1 600 Unterschriften gesammelt und die Verantwortlichen aufgefordert, das ehemalige Lager als Flüchtlingsunterkunft zu schließen und auch keine weitere Asylbewerberunterkunft in Zeithain zu öffnen. Nicht nur, weil die Halle ohne Fenster und Beschäftigungsmöglichkeiten unmenschlich wäre, wie ein Anwohner meinte. Sondern auch, weil die Zeithainer Angst haben. So erzählte eine Unternehmerin, sie sei auf der Straße angespuckt und ein anderes Mal von einer Horde junger Männer bepöbelt worden.

Kaserne ist noch nicht vom Tisch

Sowohl die Diakonie als Betreiber der Unterkunft in der Nikopoler Straße, wo derzeit 105 Flüchtlinge untergebracht sind, als auch das DRK als Betreiber der Elektrohalle versuchen schon jetzt, „unsere Werte“ zu vermitteln und die Vorfälle auszudiskutieren, hieß es von den Verantwortlichen. Mit Beschäftigung und Sozialarbeit wolle man das Problem lösen.

Der Landkreis sei aber nach wie vor daran interessiert, künftig auf dem Bundeswehrgelände in Zeithain Hunderte Flüchtlinge unterzubringen. Statt der Elektrohalle, nicht zusätzlich, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), der in diesem Fall mit dem Verteidigungsministerium verhandelt. „Wir haben viele schlecht geeignete Unterkünfte. Die zwei Häuser im Depot aber wären gut geeignet – viel besser als die Lagerhalle oder eine Turnhalle“, so Thomas de Maizière. Der Vorschlag sei derzeit noch in Prüfung, es gebe viele Gegenargumente wie zum Beispiel die Sicherheitsbedenken. „Im Moment sieht es so aus, als würde die Bundeswehr das ablehnen. Entschieden ist aber noch nichts“, erklärte er.

Insgesamt schienen die Zeithainer wenig zufrieden mit den Antworten vom Podium der Einwohnerversammlung. Es gab nicht selten Buhrufe und Pfiffe. Die pragmatischen Fragen wurden nicht beantwortet, „mir fehlt der Glaube, dass die Probleme schnell gelöst werden“, sagte der stellvertretende Bürgermeister Dieter Wamser (BIG). Zumal die Kommune zwar eine Mitwirkungspflicht habe, also Flüchtlinge zum Beispiel aufnehmen muss, selbst aber kaum Entscheidungsspielraum habe. Seine Frage nach der finanziellen Ausstattung der Kommunen, um die Flüchtlinge künftig integrieren zu können, blieb unbeantwortet.

Thomas de Maizière kündigte allerdings an, bei Bedarf noch in diesem Jahr für eine weitere Einwohnerversammlung zur Verfügung zu stehen. Wie viele Asylbewerber dann in Zeithain leben werden, ist ungewiss. Laut Landrat Steinbach kommen aktuell knapp 50 Asylbewerber innerhalb von zwei Wochen in den Landkreis. Ende 2015 waren es noch 150 die Woche.