Partner im RedaktionsNetzwerk Deutschland
Merken

Landwirte ausgebremst

Zum 25. Geburtstag hätte die Agrargenossenschaft gern verkündet, dass ihr Bauprojekt in Beiersdorf genehmigt ist. Doch nicht nur daran hängt es.

Teilen
Folgen
NEU!
© Dietmar Thomas

Von Heike Heisig

Leisnig/Polkenberg. Die Arbeitstage von Jochen Müller sind gezählt. Der geschäftsführende Vorstand der Polkenberger Agrargenossenschaft macht keinen Hehl daraus, dass er sich auf den Ruhestand vorbereitet. Dann muss es einen Wechsel im Vorstand geben, jemand an seiner Stelle die Verantwortung übernehmen. Die teilen sich mit Müller derzeit Christian Uebigau und Prokuristin Christine Unger.

Müller war schon 1991 dabei, als aus den Tierproduktionen Polkenberg und Naundorf sowie der Pflanzenproduktion die Polkenberger Agrargenossenschaft eG geworden ist. Damals gehörten knapp 170 Mitglieder zur Genossenschaft. Die beschäftigte rund 100 Mitarbeiter. Heute sind es 42, darunter drei Auszubildende. Aus damals 2 800 Hektar Fläche sind inzwischen 1 800 Hektar geworden, die der sogenannte Gemischtbetrieb bewirtschaftet. In den Ställen und auf den Weiden stehen noch 700 Tiere, die Hälfte davon Kälber.

Bauantrag läuft seit fünf Jahren

Für sie würde die Genossenschaft gern bessere Aufzuchtbedingungen schaffen. Schon seit 2011 ist geplant, am Standort in Beiersdorf einen neuen Kälberstall zu bauen. Außerdem sollen dort westlich des Milchviehstalls ein neues Melkhaus mit Umkleiden für die Mitarbeiter, ein Technikraum mit Milchkühltank und ein Melkzentrum entstehen. Mehrere Politiker haben sich von der Notwendigkeit der Investition überzeugt. Trotzdem gibt es immer wieder Auflagen seitens der Behörden. Aktuell sitzt der Planer an der Ableitung anfallenden Oberflächenwassers, was beanstandet worden war.

Mit den Erweiterungen in Beiersdorf würden sich nicht nur die Haltungsbedingungen für die Rinder verbessern, sondern auch die Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter. Das ist der Genossenschaft wichtig, um die Leute zu halten. Müller rechnet nicht vor 2017 mit den Bauarbeiten – wenn überhaupt.

Kein Wunder, dass der Vorstand nach so vielen Jahren der Mühen um das Bauprojekt und angesichts vieler anderer Probleme sagt: „Es fällt schwer, eine Perspektive zu sehen.“ Abgesehen von Preisen, die nicht die Herstellungskosten decken, und viel Bürokratie für jeden Cent Fördergeld findet der Geschäftsführer, dass die Bauern keine Lobby haben, und dass die Politik zu wenig für die Grünen Berufe tut – zumindest in Sachsen.

Im Moment fühlt sich Müller im Stich gelassen, wenn es um die Fahrschule für Auszubildende in der Landwirtschaft geht. Bisher haben die angehenden Traktor- und Mähdrescherfahrer zusammen ihre Ausbildung in der ländlichen Betriebsgesellschaft in Canitz erhalten. Die Ausbildungsbetriebe haben sich um Fördergeld bemüht. Das ist immer weniger geworden und lässt monatelang auf sich warten. Deshalb gibt es das zentrale Angebot nicht mehr – und jeder muss sich selbst kümmern. „Damit wird den Betrieben die Lust genommen, auszubilden“, findet Jochen Müller.

Wie viele andere Unternehmen geht auch den Landwirten der Nachwuchs aus. „Die Motivation, in die Landwirtschaft zu gehen, ist nicht allzu groß“, so die Erfahrungen des Senior-Chefs der Polkenberger Agrargenossenschaft. Dabei seien die Anforderungen inzwischen hoch – so, wie auch die Werte von Tieren und Technik. Daher müssten die jungen Leute nicht mehr nur bereit sein, in der Tierproduktion und im Sommer auf den Feldern an Wochenenden zu arbeiten. Der Umgang mit den hoch technisierten Erntemaschinen sei anspruchsvoll. „Vor allem ist Lust und Liebe zum Beruf nötig“, sagt Müller.

Beides hat David Flache mitgebracht. Seit 2013 arbeitet er in Polkenberg als Abteilungsleiter für die Tierproduktion und ist als studierter Agrarmanager auch für die Lehrlinge zuständig. „Ich bin auf dem Land groß geworden, für mich kam gar nichts anderes infrage“, sagt der junge Mann. Mit seiner Berufswahl ist er nach wie vor hochzufrieden.