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Lebensretterin gesucht

Vor zwei Jahren wurde der Meißner Thomas Karl auf dem Fahrrad von einem Lkw erfasst und schwerst verletzt. Dank vieler Helfer ist er wieder fit – und er hat einen Plan.

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© Roland Halkasch

Von Peter Anderson

Meißen. Es riecht nach Asphalt in diesen Tagen auf der Meißner Fabrikstraße. Schwere Maschinen haben die alte Schwarzdecke heruntergefräst und den Untergrund freigelegt. Bei Friseurmeister Thomas Karl schaufeln die Arbeiten Erinnerungen zutage. Am 10. August vor zwei Jahren war er mit seinem Sohn auf dem Fahrrad auf der Fabrikstraße unterwegs und wurde von einem Lkw an einer Engstelle erfasst. Karl stürzte und verletzte sich schwer. Ein sogenanntes Polytrauma mit kaputtem Arm, gebrochenen Rippen, Milzriss und weiteren schweren Verletzungen war die Folge.

„Mein Glück war in diesem Moment, dass zufällig ein Krankentransportwagen des DRK mit zwei Rettungssanitätern vorbeikam“, sagt der Handwerker. Diese hätten sofort gehandelt. Einer von ihnen sperrte die Unfallstelle ab. Der Zweite ging daran, den Schwerverletzten zu verbinden und so weit wie möglich zu stabilisieren. Doch dann soll Zeugen zufolge noch eine dritte Person geholfen haben. Ebenfalls sehr professionell. Vermutlich handelte es sich um eine Krankenschwester. Sie möchte Thomas Karl gern finden, um sich zu bedanken. Ihr verdanke er – gemeinsam mit den anderen Ersthelfern und den Spezialisten im Krankenhaus Dresden-Friedrichstadt – sein Leben.

Wer den 42-Jährigen heute trifft, erlebt einen sehr beweglichen, offenen und dennoch bedachten Mann. Kaum zu glauben, dass er dem Tod bereits so nahe gekommen war. Das Fahrradfahren funktioniert allerdings nur erschwert mit einem dänischen Spezialrad. „Ich kann mich mit dem linken Arm nicht mehr aufstützen“, sagt der Handwerker. Der Unterarm ist mit Narben übersät. Im Inneren werden die verbliebenen Knochenreste durch Titan stabilisiert.

Äußerlich fast unversehrt, arbeiten die dramatischen Momente vom August vor zwei Jahren weiter in seinem Inneren. „Ich war ja damals völlig handlungsunfähig. Erst später habe ich mitbekommen, was so in der Stadt erzählt wurde“, sagt er. Unter anderem habe es geheißen, er trage eine Mitschuld an dem Unfall, sei vor den Lkw gefahren. Dieser Vorwurf, welcher auch die Familie sehr belastete, sei mittlerweile ausgeräumt, so Thomas Karl. Seinen Angaben zufolge hat der an dem Unfall beteiligte Lkw-Fahrer die vom Gericht verhängten Auflagen anerkannt. Das habe ihm die Staatsanwaltschaft mitgeteilt. Indirekt wertet der Friseurmeister dies als Schuldeingeständnis. Strafrechtlich sei die Angelegenheit erledigt. Zivilrechtlich stehen zwei Prozesse aus.

Das Wohl der Radler liegt ihm seit jenen Tagen im Sommer 2016 mehr denn je am Herzen. Karl engagiert sich im Beirat der Stadt, der helfen soll, speziell den Fahrradverkehr in Meißen sicherer zu machen. Er warnt allerdings davor, dieses Thema einseitig zu betrachten. „Als Autofahrer und Fußgänger kann ich mich ebenso gut in die andere Perspektive hineinversetzen“, sagt er. Seiner Meinung nach komme es in erster Linie darauf an, die einzelnen Verkehrsteilnehmer sicher voneinander abzugrenzen. Wichtigste Voraussetzung dafür sei ein entsprechender politischer Wille.

Der Handwerker verweist auf das Beispiel Kopenhagen, wo auf Einfallsstraßen für den Radverkehr eine gesamte Fahrspur reserviert wurde. Wenn solche sicheren und komfortablen Strecken entstünden, würden sie auch genutzt. Immer mehr Menschen stiegen unter diesen Umständen auf das Fahrrad um, weil es dann tatsächlich eine Alternative bilde.

Das ehrenamtliche Engagement bildet die eine Seite. Beruflich bemüht sich der 42-Jährige innerhalb eines auf seine Bedürfnisse abgestimmten Programms darum, ins Arbeitsleben zurückzukehren. Ein erster Schritt ist bereits gelungen. Das Ladengeschäft der Familie auf der Zaschendorfer Straße kann mittlerweile dienstags bis freitags wieder von 8 bis 15 Uhr öffnen.