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Leerstand weggezaubert

Mehr als ein Jahr lang stand der Laden Hauptstraße 69 leer. Jetzt nimmt der Hausbesitzer die Sache selbst in die Hand.

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© Sebastian Schultz

Von Britta Veltzke

Riesa. Thomas Born wäre der Mensch gewordene Hoffnungsschimmer aller schrumpfenden Städte: Er zaubert Leerstand einfach weg. Der hauptberufliche Magier hat im Ladenlokal der Hauptstraße 69 Stühle aufgestellt. Im Fenster liegen ein überdimensionaler Zauberstab und ein Zylinder, aus dem ein weißes Plüschkaninchen schaut. Auf einer Staffelei lehnt ein gelber Pappkarton. Darauf steht, wann seine nächste Zaubershow stattfindet: Sonntag, 7. Januar, um 15.30 Uhr. Es vergehen nie mehr als fünf Minuten – schon wirft der nächste Passant einen neugierigen Blick durch die großen Schaufensterscheiben.

Vor mehr als einem Jahr machte an Ort uns Stelle die Boutique „Modern Fashion“ dicht. Das Haus gehört Thomas Born. „Ich bin hier aufgewachsen. Meine Großeltern haben schon hier gelebt. Sie hatten hier einen Handarbeitsladen. Später war es ein HO-Laden.“ Nachdem der letzte Mieter ausgezogen war, richtete Born den Laden erst mal vor: neuer Boden, neue Heizung, neue Fenster. Doch ein geeigneter Nachfolger fand sich nicht. „Es gab es schon Interessenten, aber daraus hat sich nichts ergeben.“ Also nahm Born die Sache jetzt selbst in die Hand. Halb aus Spaß, halb im Ernst spricht er von „Notwehr“. „Ist doch so besser als nichts.“

Das Ladenlokal hat er zu einer Art Zauberquartier erklärt. Wenn er nicht gerade für Familienfeiern, Firmenjubiläen oder Stadtfeste gebucht ist, will er in dem Geschäft auftreten. „Ich könnte mir auch vorstellen, mal einen Zauberlehrgang anzubieten. Es gibt ohnehin zu wenig Nachwuchs.“ Immerhin: Aktuell hat er einen Zauberlehrling.

Thomas Born, der in Wülknitz lebt, zaubert seit mehr als 40 Jahren. Nach der Wende hat er sein Hobby zu seinem Hauptberuf gemacht. Wie alle Stahlwerker in dieser Zeit musste auch er sich neu erfinden.

Auch in anderen Städten haben sich Zauberer eigene Standorte aufgebaut. „Aber das ist natürlich nicht vergleichbar“, sagt er und schaut sich um. Noch sieht der Raum etwas kahl aus: weiße Wände, ausrangierte Schulstühle. In den nächsten Tagen will Born zumindest noch die Bilder aufhängen, die schon an der Wand lehnen: gerahmte Veranstaltungsplakate von Größen der Zauberbranche.

Ein Anstoß, seine Idee mit dem Laden zu verwirklichen, hat ein Projekt der Kunstakademie Dresden gegeben. Absolventen und Meisterschüler hatten im Sommer leere Schaufenster in der Meißner Burgstraße mit ihren Arbeiten bestückt. Den Artikel hat sich der 59-Jährige ausgeschnitten. – Ob er sich auch eine kleine Bühne in den Laden stellt, weiß er noch nicht. „Das ist jetzt erst mal ein Testballon. Wenn das nicht angenommen wird, lass ich es eben wieder. Ich muss ja nicht davon leben.“ Aufträge habe er genug. Zwei Veranstaltungen in dem Ladenlokal hat er bereits hinter sich: eine am verkaufsoffenen Sonntag im Dezember und eine zwischen den Jahren. „Da war jetzt noch nicht die Masse an Leuten da, aber es waren schöne Veranstaltungen.“

Werbung für seinen neuen Zauberraum hat der Magier, abgesehen von dem Pappkarton im Fenster, noch nicht gemacht. „Das muss sich rumsprechen, langsam wachsen.“ Thomas Born scheint nicht der Typ zu sein, der sich wochenlang den Kopf über Konzepte zermartert. Er macht einfach mal los. Daher hat er sich auch noch keine Gedanken über die Eintrittspreise seiner Show für Erwachsene gemacht, die ihm vorschwebt – immer donnerstags um 20 Uhr. „Blaue Stunde“ will er die Reihe nennen. Das Motto: So nah haben Sie noch nie gestaunt. Schließlich beträgt der Abstand zwischen ihm und dem Publikum höchstens einen halben Meter.

Seine Kollegen vom „Magischen Zirkel Meissen“ haben ihn für verrückt erklärt, aber eine Prise Verrücktheit gehört sicher zum Zaubererdasein dazu. Anderseits ist das Risiko überschaubar. Als Hauseigentümer zahlt er keine Miete. Und wenn er den Laden zeitweise noch an andere Kulturschaffende vermieten kann – umso besser. „Hier könnten auch Lesungen oder so etwas in der Richtung stattfinden. Da bin ich offen. Hauptsache, es passiert was.“

Das Rathaus gibt Thomas Born erstmal grünes Licht. Dafür bedankt er sich ausdrücklich – „besonders bei Oberbürgermeister Marco Müller und bei Frau Mittag.“ Stadtsprecher Uwe Päsler merkt allerdings an: „Gegen einen Test ist nichts einzuwenden, ansonsten geht der Gesetzgeber von einer Regelmäßigkeit aus.“ Dann gehe es eben wieder um Rettungswege und Brandschutz, weil es kein Ladengeschäft mehr ist, so Päsler.

Born will sich darum bemühen, wenn er abschätzen kann, ob seine Idee in dem – nun nicht mehr ganz so leeren – Laden angenommen wird.