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Lehrerin wieder verurteilt

Die 51-jährige Betrügerin schrammt erneut an einem Gefängnisaufenthalt vorbei. Nächster Versuch im Oktober.

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© Benno Löffler

Von Alexander Schneider

Nach dem Prozess ist vor dem Prozess. So soll man wohl die Strategie Dresdner Ermittlungsbehörden im Kampf gegen eine hartgesottene Betrügerin sehen. Am Freitag frisch verurteilt – schon sieht die 51-jährige Lehrerin Scarlett Z. aus Dresden einem neuen Verfahren am Amtsgericht Dresden entgegen. Es ist schon terminiert und soll nach SZ-Informationen im Oktober stattfinden. Klappt es dann, die Frau aus dem Verkehr zu ziehen? Für Optimismus besteht wenig Anlass. Der gerade zu Ende gegangene Prozess am Amtsgericht Dresden hat eine Fülle an Schludrigkeiten und Nachlässigkeiten in mehreren Behörden und einer Krankenkasse zutage gefördert. Dazu später mehr.

Am späten Nachmittag wurde Scarlett Z. zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Das Schöffengericht war überzeugt, dass die Angeklagte zwischen 2011 und 2013 gegenüber ihrer Krankenkasse bewusst Einkünfte aus Nebentätigkeiten verschwiegen hatte, weshalb ihr mehrere Tausend Euro zu viel Krankengeld ausgezahlt wurden. In fünf weiteren Anklagepunkten – sie soll 2011 und 2012 unter falschem Namen Strom bei der Enso geordert, aber nicht bezahlt, und Lastschriftbetrügereien begangen haben – wurde Z. freigesprochen.

Die Frau wurde seit 2008 bereits neunmal wegen Betruges verurteilt. Zuletzt erhielt sie Ende 2014 am Landgericht Dresden eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung. Weil die nun zu verhandelnden Taten vorher begangen wurden, bildete das Schöffengericht eine neue Gesamtfreiheitsstrafe, in der das Landgerichtsurteil enthalten ist. Nanu? Neue Taten, aber keine höhere Strafe? Das ist möglich. Eine Verurteilung zu mehr als zwei Jahren hätte für Z. zwangsläufig Gefängnis bedeutet.

Doch eine zu vollstreckende Haft hielt das Gericht angesichts der verstrichenen Zeit „für unangemessen“, wie die Vorsitzende Richterin sagte. Die neue Bewährungszeit von zwei Jahren sei für die Angeklagte Strafe genug, das Urteil sei „kein Freispruch“. Es habe nicht an der 51-Jährigen gelegen, dass die Anklage erst 2015 erhoben wurde und der Prozess erst jetzt stattfand. Z.s Verteidiger Carsten Brunzel formulierte es drastischer. Er sprach von einer „Nachtritts-Anklage“ der Staatsanwaltschaft. Anlass dafür sei, dass Z. am Landgericht 2014 nochmals Bewährung erhalten hatte. Allerdings habe die Staatsanwaltschaft nicht ordentlich ermittelt. Er forderte deshalb einen Freispruch.

Die Staatsanwaltschaft ist nicht die einzige Behörde, die sich im Umgang mit Z. nicht gerade mit Ruhm bekleckert hat. Erst im Dezember 2017 hatte das Kultusministerium die angestellte Gymnasiallehrerin aufgrund des Verfahrens fristlos gekündigt. Die Kündigung nannte Brunzel „rechtswidrig“, seine Mandantin sei nun „freigestellt“ und soll mit einem rechtskräftigen Urteil endgültig entlassen werden. Wann das sein wird, ist reine Spekulation. Bis dahin erhält die suspendierte Lehrerin nach eigenen Angaben 1 000 Euro monatlich.

Warum Scarlett Z., die 2013 zehn Monate in Untersuchungshaft saß, nicht schon 2014 entlassen wurde, sondern seitdem ihre Schüler in einem Dresdner Gymnasium weiter unterrichtete – dazu schweigt das Ministerium und verweist auf den Datenschutz. Nach SZ-Informationen war das Ministerium schon lange vor 2014 von Zeugen auf die problematische Angestellte hingewiesen worden. Zum Vergleich: Beamte müssen bei einer Verurteilung von einem Jahr und mehr sofort gehen und verlieren ihre Pensionsansprüche.

Auch die „AOK Plus“ als geschädigte Krankenkasse war nicht konsequent. Am Freitag wurde bekannt, dass Z. bei der Kasse sogar Schulden hatte. Auch das hatte die Mitarbeiter offensichtlich nicht dazu veranlasst, der Betrügerin genauer auf die Finger zu schauen, als ihr regelmäßig Krankengeld ausgezahlt wurde. Der Betrug kam heraus, weil Z. 2012 und im April 2013 von anonymen „Hinweisgebern“ angeschwärzt wurde. Details kamen im Prozess nicht zur Sprache – wegen Datenschutz.

Im Februar dieses Jahres hat die Staatsanwaltschaft Z. wegen Betruges in sieben Fällen erneut angeklagt. Die Taten sollen 2016 stattgefunden haben – da stand Z. unter Bewährung. Man darf gespannt sein, ob sie im Falle einer Verurteilung tatsächlich ins Gefängnis muss.