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Letzter Ausweg aus der Drogenhölle

Die Seeg eröffnet gemeinsam mit einer Sozialinitiative ein Haus für drogenabhängige Mütter. Dort herrschen strenge Regeln.

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© Torsten Leukert/dpa

Von Stephan Hönigschmid

Meißen. Ina ist Anfang 20 und steckt in großen Schwierigkeiten. So sehr sie sich auch anstrengt: Sie kommt einfach nicht von ihrer Crystalsucht weg. Zwei Kinder hat ihr das Jugendamt wegen der teuflischen Droge bereits weggenommen und im Heim untergebracht. Als sie schließlich mit dem dritten Kind schwanger ist und die Ärzte erneut die Behörden einschalten, weil ihre Blutwerte auf einen Drogenkonsum hinweisen, beschließt sie: Ich muss mein Leben ändern. Zu schmerzhaft ist bereits die Trennung von den ersten beiden Kindern. Das dritte soll jetzt auf jeden Fall bei ihr bleiben.

Ina möchte eine Therapie beginnen und rennt mit dieser Entscheidung beim Jugendamt offene Türen ein. Allerdings sagt man ihr auch, dass die Chancen auf eine Bewilligung besserstehen, wenn sie vor der Entwöhnung in eine Wohngruppe für drogenabhängige Mütter einzieht. Gesagt, getan. Nach Vorgesprächen und Probezeit schlägt sie zusammen mit ihrem Kind ihre Zelte in der kleinen WG der Sozialinitiative Kuschnik am Meißner Neumarkt auf und lernt dort ein neues Leben ohne Drogen und mit festen Regeln und Pflichten kennen. Trotz eines kurzen Rückfalls funktioniert am Ende auch die ambulante Therapie recht gut, sodass sie bald in eine eigene Wohnung einziehen kann und die Chance hat, demnächst alle ihre Kinder wieder in den Arm zu schließen.

Damit in Zukunft noch mehr solcher Erfolgsgeschichten möglich sind, weitet die Sozialinitiative in Kürze ihr Angebot aus. In der Leschnerstraße 15 im Triebischtal stellte der Geschäftsführer der gemeinnützigen GmbH Ulrich Kuschnik am Mittwoch gemeinsam mit Seeg-Geschäftsführerin Birgit Richter ein neues und größeres Zuhause für drogensüchtige Mütter vor, das die kleine Wohnung am Neumarkt ab August ablösen soll.

„Aufgrund der hohen Fallzahlen an Crystal-Müttern haben wir Anfang 2015 festgestellt, dass wir mehr Plätze benötigen und uns nach Räumlichkeiten umgesehen. Als die Seeg uns das Haus in der Leschnerstraße angeboten hat, haben wir dankbar angenommen“, sagt Ulrich Kuschnik.

Das neue Domizil bietet auf vier Etagen acht Plätze für Schwangere beziehungsweise Mütter ab 16 Jahren mit maximal drei Kindern. Jede Einheit unterteilt sich in einen 20 Quadratmeter großen Wohn- und einen zwölf Quadratmeter umfassenden Schlafbereich. Außerdem stehen zwei kleine und ein großer Aufenthaltsraum zur Verfügung.

Die Mütter werden jeweils von zwei sozialpädagogisch geschulten Mitarbeitern betreut. „Eine Kollegin kümmert sich dabei um die Mutter, wenn diese psychische Probleme hat, und die andere ist für das Kind da“, erklärt die Leiterin der Wohngemeinschaft, Jana Morgenstern, das Konzept. Mit Kuschelpädagogik hat das aber nichts zu tun, denn im gesamten Haus herrschen strenge Vorschriften.

„Bei uns sind sämtliche Drogen tabu. Darüber hinaus sorgen wir dafür, dass die Mütter wieder einen strukturierten Tagesablauf kennenlernen, regelmäßige Mahlzeiten einnehmen und die Wohneinheit putzen“, sagt Morgenstern. Sollte eine Mutter doch einmal schwach werden und wieder den Drogen verfallen, wird sie nicht gleich hinausgeworfen. „Die Betroffene muss sich dann vor allen anderen Müttern erklären, wie es dazu gekommen ist. Zudem ist es notwendig, dass sie ihren Therapeuten überzeugen kann, nach wie vor ein Leben ohne Drogen anzustreben“, so Morgenstern.

In der Regel bleiben die Mütter ein Jahr in der Einrichtung. Diese Zeit dient in erster Linie dazu, dem früheren Lebensumfeld zu entkommen und sich mit der Situation auseinanderzusetzen. Obwohl einige auch schon parallel eine ambulante Therapie beginnen, ist das nicht zwangsläufig der Fall. Manche fangen erst nach dem Aufenthalt in der Wohngruppe mit der Langzeittherapie an.

Automatismen gibt es grundsätzlich keine, weil die Krankheitsverläufe individuell sind. Gemeinsam haben die Mütter lediglich den unbedingten Willen zur Veränderung. Dieser ist auch deshalb wichtig, weil die Plätze nicht nur heiß begehrt, sondern obendrein teuer sind. „Sie kosten einen dreistelligen Betrag pro Tag und Platz“, deutet Ulrich Kuschnik den finanziellen Rahmen an, der für das Haus und die sieben Mitarbeiter notwendig ist.

Eine Menge Geld gekostet hat indes auch die Sanierung der Immobilie. Reichlich eine halbe Million Euro investierte die kommunale Wohnungsgesellschaft Seeg, um das zuvor marode Gebäude instand zu setzen.

„Wir wollen den Leerstand senken. Und da wir an dem Haus sowieso schon das Dach repariert hatten, bot es sich an, noch den Rest zu sanieren und an die Sozialinitiative zu vermieten“, sagt Geschäftsführerin Birgit Richter. Damit beide Seiten sehen können, ob die Einrichtung an dem Standort funktioniert, wurde der Mietvertrag zunächst auf fünf Jahre befristet. Wer sich selbst ein Bild davon machen möchte, hat am 9. September von 10 bis 15 Uhr beim Tag der offenen Tür Gelegenheit dazu.