Von Thomas Morgenroth
Kreischa. Ich wusste es, dieser Bastard ist ein Verräter.“ Richard ist wütend auf Vincent, den Waldläufer, und lässt ihn seinen rasenden Zorn sehr schmerzhaft spüren. Er verprügelt den jungen Mann mit einem Sack und würgt ihn auf dem Brunnenrand. Vincent wehrt sich, wirft den rasenden Richard auf die Wiese und haut ihm eine rein, bis sein Gegner Blut spuckt. Erst als eine Frau, es ist Leora, Richard beim Namen ruft, lassen die Kämpfer voneinander ab.



Einmal, dreimal, siebenmal: Immer wieder gehen Tom Pfeiffer als Vincent und Fabio Götz als Richard auf der Burgruine Frauenstein aufeinander los. David Bochmann hält mit seiner Kamera drauf, Jorge Köhler schwenkt einen Galgen mit einem wuscheligen Mikrofon, auch „tote Katze“ genannt, Moritz Gruhl bringt mit einer weißen Styropor-Tafel Licht ins Geschehen, während Lucas Gruhl den Nacken seines Bruders mit einem schwarzen Schild vor der sengenden Sonne schützt.
Endlich ist Jeremias Erbe, der Regisseur, mit dem Ergebnis zufrieden. Der 24-Jährige, der auch das Drehbuch geschrieben hat, schaut von seinem Tablet auf, nickt der Crew und den Schauspielern zu. Es ist der 41. Drehtag, und nach fünf Stunden in brütender Hitze sind drei weitere Szenen seines abendfüllenden Abenteuerfilms „The Ray of Hope“ im Kasten. Mit einer Produktionsdauer von zweieinhalb Jahren, mit Aufnahmen an fünfzehn Drehorten und mit mehr als 80 Beteiligten, die meisten sind jünger als 30, ist es das bislang ehrgeizigste Projekt von Mias Production mit Sitz in Kautzsch bei Kreischa.
2009 von Schülern des Weißeritzgymnasiums gegründet, sorgte die Filmgesellschaft erstmals 2012 mit dem Psychodrama „Last Tomorrow“ für Furore, das auf Sachsens größter Leinwand im Rundkino Dresden gezeigt wurde. Dort, sagt Lucas Gruhl, soll 2019 auch der neue Film Premiere haben. Aus dem Schülerprojekt ist indes eine richtige Firma geworden und aus den Schülern Erwachsene, die studieren oder bereits arbeiten. Ihre gemeinsame große Leidenschaft aber ist noch immer der Film, mit dem allerdings die wenigsten beruflich zu tun haben.
„Im Grunde machen wir das alles ehrenamtlich“, sagt Lucas Gruhl. So kommt es, dass Produzent Robert Scharf, der Finanzwirtschaft studiert, bei „Ray of Hope“ mit einem minimalen Budget auskommt – gesponsert von Unternehmern der Region. Auch die Familien stehen dahinter. „Ich unterstütze meinen filmverrückten Sohn schon, seit er 14 ist“, sagt Birgit Erbe und lacht. Und das tut sie ganz praktisch: Beim Dreh in Frauenstein zum Beispiel kochte sie für zwanzig Leute das Mittagessen.
Jeremias Erbe, der den Beruf eines Mediengestalters gelernt hat und als Digital Artist und Multikopterpilot in Dresden arbeitet, ist der kreative Kopf des Unternehmens. Die musische Begabung wurde ihm in die Wiege gelegt: Seine Eltern sind Berufsmusiker, der Vater spielt Tuba in der Staatskapelle Dresden, die Mutter unterrichtet Akkordeon. Jeremias spielt selbst mehrere Instrumente und komponiert – unter anderem den Soundtrack für seinen Film. Noch mehr aber haben es ihm die bewegten Bilder angetan, darin ist er mittlerweile ein Profi – ein preisgekrönter: Für sein 5-Minuten-Drama „Sie“ gewann Erbe 2016 den FineX-Medienpreis.
Jetzt also wagt er sich an das ganz große Format. Zu „Ray of Hope“ (Lichtschein der Hoffnung) ließ sich Erbe vom Videospiel „Assassin’s Creed“ inspirieren: „Die Kampfstile haben mich begeistert.“ Weitere Zutaten sind ein bisschen Robin Hood und viel Fantasy. Der Film spielt im Mittelalter, Kostüme und Kulissen, sagt Erbe, seien weitgehend authentisch. Für historische Korrektheit aber will er sich nicht verbürgen.
Geprügelt haben sich die Menschen damals wie heute. Möglicherweise aber hätte Richard vor 600 Jahren nicht zu einem Sack, sondern zu einem toten Hasen gegriffen, um Vincent zu züchtigen. Am Schauwert indes würde das nichts ändern.