Löbauer Pflegekräfte reichen Petition beim Bundestag ein

Löbau. Schwester Birgit* wird am Donnerstag nicht zur Arbeit nach Löbau fahren. An diesem Tag fährt die Altenpflegerin zum Reichstag nach Berlin. Dort, im Deutschen Bundestag, im Sekretariat des Petitionsausschusses, wird die 54-Jährige ein schweres Paket abgeben - und sich zum ersten Mal in ihrem Leben einmischen in die große Politik.
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In dem gut verschnürten Paket trägt Schwester Birgit eine Petition nach Berlin. Gemeinsam mit Kolleginnen aus ihrer Löbauer Pflegeeinrichtung fordert sie vom Bundestag, den Beschluss zur berufsgebundenen Impfpflicht für Mitarbeiter in Gesundheits- und Pflegeberufen zurückzunehmen, der ab 16. März in Kraft treten soll. Innerhalb weniger Tage haben 6.460 Menschen aus der Region unterschrieben. Der Stapel mit den Namen und Adressen der Unterstützer ist beeindruckend.

"Es hat uns richtig überwältigt, wie viel Zustimmung wir in der kurzen Zeit bekommen haben", sagt Schwester Birgit. "Viele haben gesagt: Gebt uns eine Liste, wir sammeln auch mit - in Pflegeeinrichtungen, im Klinikum Oberlausitzer Bergland, beim Bäcker um die Ecke." Auf dem Tisch in ihrer Wohnstube hat die 54-Jährige das Paket mit den Unterschriftenlisten zusammengepackt.
"Viele unserer Mitarbeiter sind nicht geimpft und möchten das auch nicht tun", schreiben die Altenpflegerinnen in ihrer Petition. Ihnen allen drohe nun eine Beurlaubung ohne Lohnfortzahlung. "Das Ergebnis werden Kündigungen sein." Wenn das passiert, werde die Versorgung von kranken, alten und pflegebedürftigen Menschen nicht mehr sichergestellt werden können, heißt es. Die Petentinnen rechnen damit, dass zahlreiche Einrichtungen der Gesundheitsfürsorge und Pflegeeinrichtungen ganz oder teilweise schließen müssten.
Die Forderung der Pflegekräfte ist deshalb deutlich: "Zur Aufrechterhaltung der Versorgungsstrukturen und zum Schutz der vulnerablen Gruppen fordern wir eine Überprüfung der beschlossenen Ausnahmeverordnung des Infektionsschutzgesetzes ... und eine Zurücknahme der damit geltenden Impfpflicht für Gesundheits- und Pflegeberufe." Der Petitionsausschuss im Bundestages muss nun entscheiden, ob die Petition zugelassen wird. In diesem Fall muss sich der Bundestag noch einmal mit dem Gesetz befassen.
Warum sich Schwester Birgit nicht impfen lassen will
Es sind nach SZ-Recherchen nicht wenige Pflegekräfte, die eine Impfung gegen das Coronavirus ablehnen. Auch Schwester Birgit, deren Namen wir aus Schutz vor ihrem Arbeitgeber in diesem Text geändert haben, gehört dazu. "Wie viele meiner Kolleginnen bin ich überzeugt, dass ich diese Impfung nicht brauche", sagt die 54-Jährige. "Ich habe Corona durchgemacht, ich weiß, wie heimtückisch und gefährlich dieses Virus sein kann und verharmlose es auch nicht", erklärt sie. Es sei aber inzwischen auch bekannt, dass die Impfung weder vor Ansteckung noch vor Übertragung auf andere Menschen schützt.
"Wir arbeiten seit zwei Jahren unter strengsten Corona-Bedingungen und Hygienemaßnahmen", sagt Schwester Birgit. Am Anfang hätten sie viel improvisiert und bis in die Nacht hinein selber Masken genäht, weil in der Einrichtung, in der sie arbeitet, nicht genügend Masken da waren. "Wir testen uns jeden Tag, das haben wir auch schon getan, als das noch nicht in der Corona-Verordnung vorgeschrieben war", schildert die Altenpflegerin.
"Es sind so viele Keime, mit denen wir täglich in Berührung kommen", sagt sie. "Es gehört zu unserem Beruf, dass wir damit umgehen können." Sie ist wie viele ihrer Kolleginnen, die mit Corona infiziert waren, auch davon überzeugt, dass ihr Immunsystem genügend Antikörper aufgebaut hat. Aber während beispielsweise bei den regelmäßigen Impfungen gegen Hepatitis A und B, die die Pflegekräfte bekommen, stets zuerst die noch vorhandenen Antikörper geprüft werden, ehe die nächste Impfung empfohlen wird, würden die Antikörper bei Corona überhaupt keine Rolle spielen, kritisiert Schwester Birgit.
Vor allem letztere Tatsache hält sie davon ab, sich impfen zu lassen. "Dieses Recht auf eine eigene Entscheidung möchte ich mir nicht nehmen lassen", sagt die 54-Jährige, die seit 20 Jahren in ihrem Beruf arbeitet. "Ich arbeite auch sehr gerne in meinem Beruf", sagt sie, als sie das Paket mit den Unterschriftenlisten für den Bundestag mit Klebeband verschnürt. "Und deswegen hoffe ich sehr, dass unserer Petition angenommen und unserem Anliegen stattgegeben wird."
Überall in der Region machen ungeimpfte Mitarbeiter aus Gesundheits- und Pflegeberufen in diesen Tagen auf ihre Not aufmerksam. So hatten vor Kurzem Krankenschwestern aus dem Klinikum Oberlausitzer Bergland einen offenen Brief verbreitet, dem sich 250 Mitarbeiter aus dem Gesundheitswesen anschlossen.