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Frust in der Landwirtschaft: Bauern reden mit MP Kretschmer Tacheles

Handwerkliche Fehler der Politik auf Landes- und Bundesebene frustrieren die Bauern. In Kiesdorf ging es darum, wo es hakt, was fehlt - und die Rolle der Grünen.

Von Anja Beutler
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Ministerpräsident Michael Kretschmer (Mitte) kam extra zum Gespräch mit Landwirten aus dem Süden des Kreises Görlitz.
Ministerpräsident Michael Kretschmer (Mitte) kam extra zum Gespräch mit Landwirten aus dem Süden des Kreises Görlitz. © Matthias Weber/photoweber.de

Sachsens Ministerpräsident hat sich nicht gedrückt: Schon bei der Eröffnung des Löbauer CDU-Bürgerbüros von Conrad Clemens Ende Februar hatte er zugesagt, mit verärgerten Landwirten einmal ausführlicher zu reden. Doch der Termindruck und die vielen Gäste damals verhinderten das. Und so fuhr Kretschmer diesen Dienstag für eine Stunde gemeinsam mit dem Löbauer Landtagskandidaten Clemens nach Kiesdorf, wo sich sieben Landwirte aus dem Altkreis Löbau-Zittau zum Klartext-Reden mit ihm eingefunden hatten.

Das Gespräch, bei dem die SZ teilweise exklusiv dabei sein konnte, offenbarte vor allem eines: Die Landwirte haben zwar - je nach Ausrichtung ihrer Betriebe - alle ganz verschiedene und oft sehr komplexe Probleme. Fast alle Kritikpunkte gehen aber vorrangig auf handwerkliche Fehler in der Politik zurück, die durch die aktuelle Weltlage noch verstärkt werden. Ein Beispiel nannte der Schönau-Berzdorfer Landwirt Bernd Richter. Dass wegen des Ukrainekriegs die Bauern auch in diesem Jahr von der Pflicht befreit sind, vier Prozent der Ackerfläche brachliegen zu lassen, sei erst in diesem Februar politisch entschieden worden. "Aber ich mache jetzt bereits meine Pläne für 2025/26", skizziert er die Zeitschienen in der Landwirtschaft und sagte: "Ich kann mich doch nicht in fünf Minuten umentscheiden."

Vertrauen in Politik ist weg

Planungssicherheit und Vertrauen sind daher Kernforderungen der Landwirte. Daran mangele es derzeit generell - der Agrardieselstreit war nur der Tropfen auf den heißen Stein. Man fühle sich "mit Füßen getreten", hieß es. Zum Beispiel, weil Sachsen es als einziges Bundesland 2023 nicht geschafft hatte, die für die Betriebe wichtigen EU-Ausgleichszahlungen rechtzeitig zu überweisen. Die Software war nicht schnell genug auf die von der EU erlassenen Änderungen eingestellt worden. Dieses Problem drohe erneut, klagten die Landwirte Kretschmer. Denn anders als in anderen Jahren, könne man aktuell noch immer keine Daten in die Antragssoftware einpflegen, weil die noch nicht fertig programmiert sei. Abgeben müsse man aber alles bis 15. Mai.

So entsteht Frust, weil in den Augen der Bauern immer wieder mit zweierlei Maß gemessen werde. Landwirte müssten immer alles rechtzeitig und pünktlich umsetzen, sich auf Jahre verpflichten, sonst werden sie sanktioniert, aber Politik und Verwaltung hielten sich ihrerseits nicht an Termine und Zusagen.

Warum höhere Preise kein Gewinn sind

Vertrauen fehlt auch bei den Betreibern der Biogasanlagen. Die Förderung über das EEG-Gesetz, die vor 20 Jahren zu einem Bauboom führte, läuft jetzt nach und nach aus. Wie es weitergehe, sei - trotz Bevorzugung alternativer Energie- und Wärmegewinnung - nebulös. Auch hier dränge die Zeit, brauche man Planungssicherheit, macht ein Landwirt deutlich, sonst müsse er "in zwei Jahren eine Anlage abschalten".

Kretschmer seinerseits fragte konkret nach der Rolle der ukrainischen Getreideexporte. Ja, das wirke sich aus. Der Markt sei voll, die Preise seien deutlich gesunken: Statt 165 bis teilweise gar 190 Euro pro Tonne für die Wintergerste wie noch im Vorjahr bekomme man jetzt 125 bis 130 Euro. "Ja, wir haben mit dem ersten Jahr des Ukrainekriegs gute Preise mitgenommen, aber inzwischen sind sie wieder gefallen, die Kosten aber hoch geblieben oder gestiegen", schildert Dirk Schulze von der Milchland Schönau GbR.

Dass sich die Wut vieler Bauern vor allem auf die Grünen - auf Sachsens Landwirtschaftsminister ebenso wie auf den Bundeslandwirtschaftsminister - richtet, war schnell deutlich. Ganz offen wurde Kretschmer gefragt, ob er wirklich wieder mit der Partei koalieren würde. Das besprach man dann aber lieber im Detail und nicht mehr öffentlich.