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„Makaber, traurig, und pietätlos“

Der Friedhof ist ein Ort der Trauer, Ruhe und Besinnung. Doch das hält Diebe nicht davon ab, immer wieder zuzugreifen.

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© André Braun

Von Cathrin Reichelt

Döbeln. Mercedes Große ist sauer. Der Tonfall ihrer Stimme ändert sich kaum, während sie erzählt. Sie kann nicht fassen, was sie Stunden zuvor erlebt hat. Eigentlich wollte sie nur kurz nach den Blumen sehen, die sie in der vergangenen Woche an das Grab ihrer Cousine gebracht hat. Die war im vergangenen Jahr im Alter von 49  Jahren plötzlich verstorben. Den ersten Todestag wollte die Mutter der Frau nicht ohne einen Blumengruß vorübergehen lassen. Weil sie aber zu weit weg wohnt, übernahm es Mercedes Große, die Orchideen an das Urnengrab zu stellen.

Als sie nun wiederkam, um den Topf mit Wasser zu versorgen, war er weg. Geklaut. „Ich habe mich erst noch umgesehen, ob er vielleicht woanders steht. Aber ich habe ihn nicht gefunden“, erzählt die Großsteinbacherin. Und sie fragt sich: „Wer klaut Blumen samt Topf von einem Grab?“

Daraufhin habe sie sich mit einem Mitarbeiter des Friedhofs am Krematorium und anderen Besuchern unterhalten. Von denen habe sie erfahren, dass es Gräber gäbe, von denen regelmäßig der Blumenschmuck gestohlen werde. „Ich denke nicht, dass das nur dumme Jungenstreiche sind, sondern erwachsene Menschen ohne Respekt vor fremdem Eigentum“, sagt Mercedes Große.

Der Leiter des Krematoriums Jens Funke bestätigt auf Anfrage des Döbelner Anzeigers, dass es gelegentlich vorkomme, dass Grabschmuck gestohlen wird. Allerdings sieht er wenige Möglichkeiten, das zu verhindern. „Es ist ein großes Areal und es gibt kein Tor“, sagt er. Zwar gibt es einen Wachschutz für das Objekt und die Mitarbeiter seien sensibilisiert, mit aufzupassen. Aber das Gelände sei zu weitläufig.

Auch Funke ist empört. „Der Friedhof ist ein hochsensibler Bereich. Wir haben Angehörige, die jeden Tag hierherkommen. Soetwas ist einfach skrupellos“, sagt er.

Mercedes Große fragt sich, ob die Diebe keinen Anstand und Respekt vor den Toten haben. Sie findet das Verhalten von den bisher Unbekannten beschämend und es macht sie traurig. „Mir geht es nicht um das Geld für die Blumen, sondern um die Respektlosigkeit mancher Menschen“, erklärt sie und mag sich gar nicht vorstellen, wie es wäre, Blumen geschenkt zu bekommen, die von einem Friedhof stammen. „Heute gibt es an jeder Ecke Blumen zu günstigen Preisen“, meint sie.

Für jeden komme der Tag, an dem er einen geliebten Menschen verliert. Der Hinterbliebene wünsche sich dann nichts mehr, als dass er den Verstorbenen besuchen, ihm Blumen oder andere Liebesbeweise am Grab hinterlassen kann. Keiner glaubt daran, dass ihm diese Sachen gestohlen werden. „Ich hoffe, dass die Diebe keine Freude an den Blumen haben und diese vielleicht sogar Läuse bekommen. Denn wer Tote bestiehlt, verdient es nicht besser“, so Mercedes Große.