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Marihuana in der Kapuze

Ein 21-Jähriger schmuggelte mit seiner minderjährigen Freundin Drogen. An der Grenze in Sebnitz endete nicht nur ihr Ausflug.

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Von Stephan Klingbeil

Es war fast Sommer, als Stephan A. und Nora P. einen Ausflug nach Tschechien machten. Anderthalb Jahre waren die beiden aus Görlitz ein Liebespaar. Er 21 Jahre alt, sie noch nicht 18. Mit dem Bus fuhren sie bis Sebnitz, spazierten von dort aus nach Dolni Poustevna. Sie brauchten kein Hotel, kein Bett, schliefen unter freiem Himmel. Ein romantischer Kurztrip, mag man meinen. Doch der Abstecher hatte nichts damit zu tun. Denn A. wollte nach Tschechien, um Drogen zu kaufen. 39 Gramm Marihuana sollten es sein. 160 Euro wollte der vietnamesische Händler dafür von ihm haben. Man kannte sich. A. war nicht das erste Mal dort.

Doch nicht er schmuggelte das Marihuana über die Grenze. Das übernahm seine minderjährige Freundin. In ihrer Kapuze hatte sie das Zeug zum Kiffen versteckt, als beide von Bundespolizisten auf Streife gestoppt wurden. Das war am Morgen des 15. Juni. Über fünf Monate später musste sich A. vor dem Amtsgericht Pirna verantworten. Ihm drohten über fünf Jahre Haft.

Denn geht es nach dem Gesetz, das Kinder und Jugendliche von Drogen fernhalten will, dürfte man für das, was der geständige Angeklagte getan hat, nicht unter der Mindeststrafe von fünf Jahren davonkommen. Zumal Stephan A. schon einiges auf dem Kerbholz hat. Räuberische Erpressung, Diebstahl, Nötigung – verurteilt wurde er in Görlitz. Bewährung inklusive.

Seine Bewährungszeit war aber in diesem Juni noch lange nicht um. Das wusste auch seine Freundin Nora P. „Ich wollte nicht, dass Stephan etwas passiert, wenn er nach Tschechien fährt, bin deshalb mitgefahren“, sagte die 17-Jährige vor Gericht. „Das Drogenmilieu ist gefährlich.“ Und außerdem sei er doch noch auf Bewährung.

Und die geschmuggelten Drogen? Nein, gezwungen hätte der Angeklagte sie nicht, das Marihuana zu verstecken. Davon abgehalten habe er sie allerdings auch nicht. Im Gegenteil. Vor Gericht nahm A. die Schuld auf sich – seine Freundin muss sich wegen des Drogenschmuggels noch im Dezember vor dem Jugendrichter verantworten.

Beamte bemängeln Zusammenarbeit

„Ich liebe sie noch immer“, sagt der Angeklagte und bricht vor Gericht fast in Tränen aus. Beide haben sich seit dem Vorfall nicht gesehen. Richter Andreas Beeskow hatte den jungen Mann hinter Gitter geschickt. Angesichts des zu erwartenden Strafmaßes einschließlich der vorangegangenen Verurteilungen hätte bei ihm womöglich Fluchtgefahr bestanden. Und als Warnschuss sollte die Unterbringung im Erwachsenen-Knast ebenfalls verstanden werden.

Der mittlerweile 22-Jährige habe dort eine harte Zeit durchgemacht, wie er sagt. Erst schrieb seine Freundin noch Briefe, später hörte er nichts mehr von der jungen Frau, die vor Gericht betont, sie stünde „das alles psychisch nicht mehr durch“. Doch A. musste hinter Gittern auch auf die Drogen verzichten, die ihn seit Jahren begleiteten. Nach dem Tod seines Vaters habe er begonnen, Drogen zu nehmen. Da war er 14 Jahre. Mit 16 war er schwer abhängig. Von der Teufelsdroge Crystal schmiss er sich später sogar ein halbes Gramm pro Tag ein.

Das Crystal, das bei ihm zeitweise Verfolgungsängste ausgelöst habe, bekam er in Tschechien. Für Polizei und Gericht gehören solche Fälle zum Alltag. Die vor dem Amtsgericht Pirna verhandelten Fälle häufen sich, sagt Richter Beeskow. Jede Woche gebe es mehrere Verhandlungen wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz. Manch Bundespolizist, der an der Grenze patrouilliert, hat die Nase voll. Der Drogenhandel sei ein ernstes Problem, vor allem das leistungssteigernde Crystal eine große Gefahr. Besonders für Jugendliche.

Die Gesetze jenseits der Grenze seien hinsichtlich des Drogenbesitzes viel lockerer als hierzulande, wird moniert. Ferner ließe die Zusammenarbeit mit den tschechischen Behörden zu wünschen übrig, sie sollte verstärkt werden, sagen genervte Beamte, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen wollen. Jenseits der Grenze seien ihnen jedenfalls die Hände gebunden. Und auf deutschem Boden träfen sie bei den Drogenkontrollen ein ums andere Mal auf bekannte Gesichter, wie sie sagen.

Sie treffen auch auf Menschen wie Stephan A., der seine Zukunft fast weggeworfen hätte. Doch das Schöffengericht in Pirna ließ „ein letztes Mal“ Milde walten. Der Angeklagte bedauerte vor Gericht zutiefst, dass er die minderjährige Nora P. „mit hineingezogen“ hat. Auch willigte der Mann einem Drogenentzug ein. „Das ist meine letzte Chance“, betont er. Nur deshalb und weil er Nora P. nicht zu dem Drogenschmuggel habe drängen müssen, komme für A. eine erneute Bewährung infrage, die die Staatsanwaltschaft ausgeschlossen hatte. Sie hatte eine Haftstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten gefordert. Das Schöffengericht folgte jedoch der Verteidigung. Es verurteilte A. zu 18 Monaten Haft – auf Bewährung. Der Angeklagte wird wieder aus dem Gefängnis entlassen.